Sunday, December 31, 2006

John Cale "Circus" - Tour + Live-Album 2007 vs. Raritäten aus Back-Katalog...

Kurz erwähnt sei zuerst, daß John Cale einen Blog hat. Und es wurde gebloggt was man an Cale-Fotos von Fans fotografiert in die Finger bekam. Lange schon ist auch ein Live-Album "Circus" angekündigt. Und er tourt und tourt. Wenn das nur gut geht! Er wird wohl weiter so gut wie das Gegenteil der anfänglichen "Black Acetate"-Phase tun.
Das unzugängliche, präzise, harte Album "Black Acetate" (2005) und die ersten Konzerte dazu hatten Klasse. Cale und die Band bestehend aus den jungen Musikern Dustin Boyer, Joseph Karnes und Michael Jerome waren beim München-Konzert im Backstage vor einem Jahr auf höchstem Niveau. Aber kaum zwei Monate später das vergleichsweise schwache Konzert im Quasimodo in Berlin. Und statt seiner schwarzen, sympathisch lapidaren website nun ein weblog mit lauter bunten Bildern...Ok, Realismus. Das allein ist jedoch noch kein Qualitätskriterium.
"Black Acetate" hatte absolut Kraft. Doch ich hege Zweifel, ob jetzt das Konzept "Circus" aufgeht. Und hör mir derweil seine 1999 veröffentlichte und 1994 in Paris eingespielte Filmmusik "The Unknown" an. Und es gibt auch frühe experimentelle Stücke zu entdecken wie "Sun Blindness Music" und "Dream Interpretation" auf "New York In The 1960s" im Programm des kleinen Labels a-Musik in Köln mit website
www.a-musik.com und John Cales blog: www.john-cale.com

(Anmerkung: Cale's Blog existierte nur eine kurze Zeit.)

Thursday, December 28, 2006

Foyer im Forum
Foto: Tina Karolina Stauner, 2006


"American Hardcore" von Paul Rachman (2006), Forum, München

Vermerkt sei natürlich, daß ich mir den Film "American Hardcore - The History Of American Punk Rock 1980 - 1986" von Paul Rachman (nach dem Buch "American Hardcore - A Tribal History" von Steven Blush) angesehen habe. In einen Film über die Punkszene Englands wäre ich nicht gegangen. Info: www.allmusic.com
www.programmkino.de

Tuesday, December 26, 2006




Grafittis, München
Grafittis und Subkultur - Vandalismus oder Kunst?
(c) Tina Karolina Stauner, 2006
Lambchop, Nachtmix-Mitschnitt (B2, Zündfunk) vom 20.11.06, Elserhalle München

Ich kenne wunderbar perfekte Songs von Kurt Wagner auf Lambchop-CDs veröffentlicht, die ich nicht missen möchte. Daß es allerdings für mich nicht weiter ein Problem ist kürzlich das Konzert verpaßt zu haben weiß ich seit dem Hören des Mitschnitts. Die Streicher tragen so dick auf, daß es einfach zuviel des Guten ist. Wagner kann im Einzelfall ein kurzes Thema auch mit Streicher-Arrangements auf oberstes Niveau bringen, hat allerdings live so ein Ensemble einen ganzen Abend lang nicht soweit im Griff. Und wirkt auf einmal merkwürdigerweise durchschnittlich konventionell.
website des Radioprogramms:
www.br-online.de/kultur-szene/sendungen/nachtmix
Buchhandlung in der Rue de Montparnasse
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2006)


Tisch im Le Select in Paris
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2006)

Monday, December 25, 2006




"Leviathan Thot" von Ernesto Neto, Festival d'Automne, Panthéon, Paris
(Fotos: Tina Karolina Stauner, 2006)

Man ist also allseits auf Winterreise. Spätestens seit Schubert. Ich fuhr kürzlich nach Paris.
Wie offen und interessiert ich dort auf die Installation "Leviathan Thot" zuging wundert mich im Nachhinein, denn ich stehe grundsätzlich Installationen erst mal mit Skepsis gegenüber.
"Leviathan Thot", von dem Brasilianer Ernesto Neto geschaffen, spannt sich in weichen, gebogenen Formen aus Netzen aus Tüll und Lycra zwischen den geometrischen Linien des Steinbaus unter der Kuppel des von Ludwig XV in Auftrag gegebenen und im späten 18. Jahrhundert erbauten Panthéon. In den Netzen sind weiße Polysterolkugeln, teilweise Sand und Lavendel.
Im Raum des Panthéon hängt sonst nur in der Mitte ein foucaultsches Pendel.
Die Skulptur "Leviathan Thot" lebt der Information zufolge "von der Konfrontation des tierischen Wesens, des Lebens, der Art des Léviathan und einer stabilen Architektur, dem Symbol des Zusammenspiels von Kultur und Politik, welche durch das Gebäude und seine zahlreichen Denkschriften dargestellt wird." Und weiter: "'Léviathan Thot' ist ein anthropomorphes Werk. Von Leviathan, dem Ungeheuer aus dem Buch Hiob, hat es die Augen, das Gehirn, den Mund, das Herz und die Arme und Beine. Der Ägypthische Gott Thot wird mit Weisheit in Verbindung gebracht. Als Erfinder von Schrift und Sprache repräsentiert er die Kultur und kann sogar noch über andere Götter hinauswachsen."
Die Wirkung des Kunstwerks ist vordergründig imposant. Bei näherem Betrachten bin ich recht schnell wieder sogar mehr als nur skeptisch. So eine Installation ist für einen kurzen Zeitraum da. Zurecht, denke ich. Zeigt doch auch, daß Installationen im kulturellen Raum unwesentlich sein können.
Andererseits geht es um einen Denkansatz über die Kultur, speziell auch die heutige Kultur, der sich beim Betrachten ergeben kann. Vielleicht auch einfach nur um Erleben von Ästhetik. Dies kann beeindruckend sein, aber auch in Frage stellen oder selber in Frage stehen. Man muß ein enormes Maß an Schöpferkraft haben um mit einer inhaltlichen oder/und formalen Aussage in dieser Dimension bestehen zu können.
und www.pantheonparis.com

Saturday, December 16, 2006

Steinmosaikboden, Panthéon, Paris
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2006)

Monday, December 11, 2006




Puppen, Büsten, Statuen, Antiquitäten-Schaufenster in München
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2006)

umfangreiches Portfolio: Puppen, Büsten, Statuen
Früher waren Puppen Kultobjekte und hatten magische und religiöse Bedeutung.

Die Geschichte des Puppen- und Figurentheaters begann 5000 - 1000 v.Chr. in Indien. Schriftlich dokumentiert wurde ab 11. Jahrhundert. Japanisches Puppentheater, genannt Bunraku, begann um das 16. Jahrhundert.

Magazin zum Thema Puppenspiel: www.puppenspiel-portal.eu
Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst: www.fidena.de

Einer meiner ersten Berufspläne war Puppenmacherin. Ich fragte in einem kleinen Laden. Doch die Ausbildungsplätze waren rar. Und es wurde nichts daraus. Ich begann dann mit Theatermalerei: www.theatermalerei-stauner.blogspot.com

Sunday, December 10, 2006

Wandbild im Tachelescafé, Berlin
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2006)
www.tacheles.de

Thursday, December 07, 2006

Meditation... - Graffiti an der Mauer beim Muffatwerk München
(Foto: Tina Karolina Stauner, 09/06)

Erinnerung an Meditation: Sich auf den Weg machen nach innerer Leere, in einen Zustand frei von Gedanken, das Gefühl von Eins-Sein mit dem Ganzen erleben. In Erleuchtung, Versenkung, Trance wie einfach ins Nachdenken. Neurologisch gesehen Veränderung der Hirnwellen. Im Zen nennt man das mystische Erfahrung. Ohne Lehre, ohne Geheimnis, ohne Antworten. Und einfach das Leben zu leben in seiner ganzen Fülle. Realistisch gesehen, heißt es, ist das Beschreiten des Zen-Weges jedoch eines der schwierigsten Dinge, die in einem menschlichen Leben unternommen werden können. Denn den Lernenden wird die Bereitschaft zur Aufgabe ihres selbstbezogenen Denkens und letztlich des Selbst abverlangt. Und Zen als Konzentration auf die alltäglichen Verrichtungen. Auf diese Weise kann sich die Erkenntnis der absoluten Realität einstellen.
Es gibt viel Theorie zum Thema. Hier Theorie zur Praxis:
www.zenmeditation.de
05.12.06 "Drei Schwestern" von Anton Tschechow, Regie und Bühne: Andreas Kriegenburg, Kostüme: Andrea Schraad, Musik: Laurent Simonetti - Kammerspiele, München

Hysteriker, in Rußlands Provinz gestrandet, scheinen sich an der Grenze zum Wahn einzunisten. Eine Art Folkmusik hauptsächlich mit Akkordeon kontinuierlich im Hintergrund gespielt bringt das ganze Stück in eine tranceartige, somnambule Zwischenstimmung. In der die Bühnenfiguren samt Zuschauer, so sie sich darauf einlassen, ins Surreale driften. Wirkt ein riesiger blütenförmiger Deckenleuchter, bühnenraumbreit, im ersten Akt noch kitschig und störend auf mich in der schön sachlich-klaren Bühnenarchitektur in Weiß-, Beigetönen, so ist er im letzten Akt zum passend surrealistischen Dekor geworden, die ins sinnlose geratenden Handlungen überspannend. Handlungen, die regelrecht zu Stereotypien am Rande des Krankhaften werden. Alles wirkt wie auf einer anderen Bewußtseinsebene ausgeführt. In der die Schauspieler zeitweise große, weiße Masken tragen, die überdimensionale Köpfe machen mit riesigen Augenhöhlen und dunklen Augen. Ein surrealistisches Puppenspiel. Die kleine Schar, die sich da zusammengefunden hat, lebt beinahe wie in einer Welt für sich neben der Realität. Wären nur die Masken ohne die mehr oder weniger latent kitschige Dimension im Bühnenbild!

Im Programmheft Stellen aus Briefen Tschechows aus dem Jahr 1892 kommentierend dazu:
"Wer nichts will, auf nichts hofft und vor nichts Angst hat, der kann kein Künstler sein. Ob dies eine Krankheit ist oder nicht - es geht nicht um Bezeichnungen, sondern um das Eingeständnis der Lage." - "Wir haben weder Nah- noch Fernziele, unser Herz ist wie leergefegt." - "Man sollte ein Bad in Schwefelsäure nehmen, sich die Haut abziehen und sich ein neues Fell wachsen lassen..."

(Foto von www.muenchner-kammerspiele.de)

Sunday, December 03, 2006

06.12.06 Evan Parker in der Unterfahrt in München beim Konzert des Schlippenbach Trio
(Foto: Tina Karolina Stauner)

06.12.06 Schlippenbach Trio, Unterfahrt, München

Nett, diese Freejazzer. - Tradition und Improvisation...Man spielt sich ein in den Improvisationsprozeß bis man auf hochenergetische Ebenen gelangt...Die Innovation in minimalen Details im Zusammenspiel. In der Interaktion ist Spielraum für Solo-, Duo- und Triophasen: Alexander von Schlippenbach am Klavier, das er während des Konzerts mit Gegenständen "präpariert", Evan Parker an Sopran- und Tenorsaxophon und Paul Lovens am Schlagzeug. Das Trio ist ein Klassiker der europäischen Improvisationszene. Besteht seit etwa 1970. Was mich am kontinuierlichen Mitverfolgen der Auftritte des Schlippenbach Trio interessiert erklärt sich durch folgende Aussagen: Der Posaunist und Komponist Vinko Globokar, der mit Aleatorik und Improvisation arbeitet und Avantgardetheoretiker ist, sagte einmal, beim freien Improvisieren interessiere ihn nur die erste Begegnung zwischen Musikern. Schon beim zweiten Zusammenspiel sei der Improvisationsprozeß nicht mehr frei und offen, sondern durch die gemeinsame Spielerfahrung belastet und eingeschränkt. Schlippenbach ist da anderer Ansicht. Im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler und Musiker Peter Niklas Wilson sagte er: "Es bilden sich Klischees heraus, gewisse Dinge, die von der Erwartung her eintreffen mögen; man stellt sich darauf ein, und die Musik bekommt eine bestimmte Richtung. Wenn man es aber fertig bringt, durch solche Phasen hindurchzugehen und sich kritisch genug damit auseinandersetzt, dann kann man einen Schritt weiter kommen. Und dann kriegt die Musik plötzlich einen festen Boden unter den Füßen, der ihr sonst erstmal fehlt." So ist es auch beim Zuhören. - Das Zitat stammt von www.avschlippenbach.com - Die aktuelle CD heißt "Winterreise".

Friday, December 01, 2006

30.11.06 Hank Roberts, Jim Black, Marc Ducret - Unterfahrt, München

Vereinen Gegensätzliches von rohem Rock, traditionellen bis freien Jazzimprovisationen und feinen Kammermusikparts in ihrem Trio: duchsichtig dreiteilig: Hank Roberts mit einem oft in klassischer Musik klingendem Cello und manchmal versunken vor sich hinsummend und -singend, Jim Black in Extremen von hartem, sehr vordergründigem Rockrhythmus und leisen, zurückgenommen spielerischen Klängen und Marc Ducret an einer meist mehr als im Jazz der Rockmusik nahen und immer experimentellen E-Gitarre.

Erinnert sei an das Arcado String Trio mit Hank Roberts (späte 80er, frühe 90er Jahre). Erhältlich bei www.winterandwinter.com , die das JMT Label mit im Programm haben.
Und hier nebenbei einfach der Hinweis auf die aktuelle CD von Jim Black "Dogs of Great Indifference" (2006) mit seiner Formation AlasNoAxis.

Tuesday, November 28, 2006

Ceramic Dog - Marc Ribot, Ches Smith, Shahzad Ismaily

Marc Ribots neue New Yorker Band.
Die drei Musiker spielen jeweils auch in anderen Formationen. Derzeit ist Marc Ribot bei T-Bone Burnett wichtiger Faktor. Selber hat er noch die Band/das Projekt Spiritual Unity. Bei Ches Smith führt die Spur zu Ben Goldberg Quintet und Good For Cows. Shahzad Ismaily gehört zu 2 Foot Yard. Beide Musiker spielen bei The Night Porter. Doch die Aktivitäten der Ceramic Dog-Mitglieder sind noch sehr viel mehr in die Szene verzweigt. Und insbesondere Marc Ribot ist ja nicht nur New York-Spezialisten bekannt und ein Mann mit Vergangenheit.
Es gibt von Ceramic Dog noch keine CD. Sie touren seit einer Weile und ich hörte sie im Mai im Nightclub des Bayerischen Hof hier in München. Postrock aus Elementen von Punk, Funk, Psychedelik, Experimentellem, Improvisation, Minimalismus, Hardcorejazz bis Song. Marc Ribot hat das ganze Konzept unter seiner Kontrolle, gibt den Spielraum in dem Smith am Schlagzeug und Ismaily an Baß und Moog dem für sein markantes, grobkantiges Gitarrespiel bekannten Ribot tatsächlich gleichwertig sein können.
Es ist ein Weg aus Dekonstruktionslastigem vergangener Jahre in die regelrecht gegenteilige Dynamik zu gehen. Härte und Präzision, mehrere Ebenen, suggestive Rhythmustrukturen und -linien und schöne Melodieparts. Man gerät weit mit hinein in diese Shpären, wenn man die Band live erlebt. Marc Ribot betont auf seiner website: "Not a 'project': a real band." - Ja , gebündelte, konzentrierte Kraft und Energie.
- Marc Ribots website: www.marcribot.com
(Foto: Royal Festival Hall, London)

Sunday, November 26, 2006

25.11.06 "Majakowskis Tod", Dieter Schnebel, Musikalische Leitung: Ekkehard Klemm, Regie: Florentine Klepper, Bühne: Chalune Seiberth - Staatstheater Gärtnerplatz, München

Kurze Notizen zum Unterschied der Leipziger Uraufführung und Inszenierung von Achim Freyer, die ich in den 90er Jahren besucht hatte, zur zweiten Produktion des Stücks in München:

Leipzig schrieb: "Wladimir Majakowski, 1893 in Georgien geboren, beendete sein Leben 1930 in Moskau durch einen Pistolenschuß ins Herz..."
München schreibt: "Wladimir Majakowski, geb. 1893, Futurist, Zeichner, Dichter und 'Trommler der Revolution', starb am 14. April 1930. Warum er sich umbrachte, oder ob er überhaupt freiwillig aus dem Leben schied, angesichts der Herrschaft Stalins - darauf gibt das gut einstündige Opernfragment von Dieter Schnebel keine eindeutigen Antworten..."

In Leipzig wurde die Oper mit dem vierten Teil "Totentanz" aufgeführt. Der mir besonders stark in Erinnerung blieb. Und war da nicht die pinkfarbene Tänzerin, die nach der Tänzerfigur des Tod kam?
In München ist der "Totentanz" nicht mit auf der Bühne. Das Stück endet nach drei Teilen mit einem ganz kurzen Nachspiel und einer schwarzen Fläche. In diesem Moment ist für mich der Schluß und der Blick ins Schwarze ohne den "Totentanz" irritierend abrupt. - Im Programmheft auf der letzten Seite eine Abbildung von "Schwarzes Quadrat" (1929) von Kasimir Malewitsch. Auf der Heftrückseite sind dann noch die Abschlußworte von "Totentanz" abgedruckt: "entschlafen ich - schlafen wir - Schlaf alle".

(Foto von www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de)

Friday, November 24, 2006

23.11.06 Yo La Tengo, Muffathalle, München

Spätabends schaue ich noch beim Yo La Tengo-Konzert vorbei. Die letzten Nummern des Sets voll energiegeladenem Rhythmus ziehen direkt mit rein. Erst denke ich: Beinahe als wäre keine Zeit vergangen seit den frühen 90ern als ich die Band damals live hörte. Doch daß sie sich dann diesmal in den endlosen Zugaben einfach zerfasern läßt das Gegenteil spüren. Zu spät, daß die Schlagzeugerin Georgia Hubley zum Abschluß am Mikrofon steht und schön und etwas ironisch den Gene Clarksong "I tried so hard to please her" singt.

Thursday, November 23, 2006

Jed Perl "New Art City", 2006

Heute endlich weite Teile von "New Art City" gelesen. Anders als im oberflächlichen Vortrag Jed Perls vor einigen Wochen dann im Buch Minutiöses, Details, Hintergrundinformationen. Für mich als gutem Kenner der New Yorker Malerszene der vergangenen 50 Jahre tauchen kaum oder noch nicht bekannte Nebenfiguren, Randexistenzen und weniger erfolgreiche Künstler auf, die im New Yorker Kosmos eine mitentscheidende Rolle spieleten. Ich kann anknüpfen an mir Vertrautes und gerate mitten hinein ins Leben der gesamten Kunstszene. Zusammenhänge, die ich für mich bisher grob skizziert hatte, werden bis in persönlichste Dialoge und engste Beziehungen deutlich. Es ist ein tieferes vordringen ins Manhatten und der dortigen bildendenen Kunst der Zeit von etwa 1950 an und der Entwicklung der Kunst und Kultur aus diesem Stadtkern, einem Zentrum weltweit, heraus. Schauplatz sind Ateliers, Galerien, Bars, Clubs, Straßen, Wohnungen, öffentliche Gebäude, auch Orte nahe der Stadt und das Buch führt in Szenen, die filmsequenzartig das gesamte soziale Netz, das die Maler entstehen ließen, zeigt und besonders auch die Verbindung zu Literatur und Philosophie.
Artikel von Jed Perl in The New Republic: http://www.newrepublic.com/authors/jed-perl

Thursday, November 09, 2006

"Vorgemischte Welt", Klaus Sander, Jan St. Werner - aktuelle Lektüre nebenbei...

Saturday, November 04, 2006

Pere Ubu, Nachtmix-Mitschnitt (Bayern2Radio, Zündfunk) vom 10.10.06, Feierwerk München

Wenn überhaupt Pop- und Rockmusik dann uneingeschränkt Pere Ubu. Kraftvolle bis vorwärtstreibende schöne Songs. Man hört David Thomas Stimme an, wie er sich seiner Sache und der Stärke der Band sicherer ist denn je. Bestform. Selbst Uraltsongs der Band in der überarbeiteten Version in absolut den Zeitgeist mit reflektierender Qualität und gültig im aktuell zählenden Text- und Musikmaterial von David Thomas und Pere Ubu.
Ich hör das Konzert gerade nur im B2-Nachtmix-Livemitschnitt. Es ist dabei immerhin doch spürbar was die Band live vermitteln und übertragen kann... Radioprogramm:
www.br.de/radio/bayern2/index.html
www.ubuprojex.net

Tuesday, October 31, 2006

Theo Bleckmann, Anteroom, 2005

Als Coverbildgestaltung mehrere unterschiedliche Restauranträume, menschenleer, die Tische gedeckt für Gäste. Beim Ansehen der Bilder mit der Tischdekoration wirkt die Abwesenheit von Personen stark.
"Anteroom" heißt Warteraum, Vorraum: Bei dem tendenziell Ambient-Klangebilde "Anteroom", das Theo Bleckmann mit den Möglichkeiten seiner Stimme herstellt, bleibt offen, ob es in einen sakralen Raum, etwa für Mönche, paßt oder ob es so etwas wie die profane Stimmung eines verlassenen Bahnhofwartesaals suggerieren kann. Man kann sich auch plötzlich klar machen, daß eine Gesellschaft, die selbst wenn sie, wie auf dem Cover gezeigt, in Speiseräumen tafeln kann, nur im Wartesaal genannt Leben ist, für den Zeitraum, der jedem von uns bleibt. Man gerät in den Bereich in dem das Denken und Fühlen bei Meditation und Zen ist, wenn man dies will, aber gleichzeitig ist man gefährlich nahe an Terrain erschreckender Leere, Horror Vacui, Klaustrophobie bis Verzweiflung oder endloser Gleichgültigkeit. Im kurzen zweiten Stück der CD vielleicht auch einfach in einer nicht definierten Weite. Die Musik ist für Menschen, die sich in Grenzbereiche wagen und diese aushalten und ausloten. Für die Einzelgänger und Freidenker, denen es nicht darauf ankommt unauffällig in der Masse Mensch und ihren gesellschaftlichen Gruppierungen zu verschwinden, sondern die auch alleine in unerforschte Räume dringen. In denen man nicht genau weiß, was geschehen wird, was man erleben wird, wer einem begegnen wird.
Die beiden mehrschichtigen akustischen Klangräume der CD, betitelt "Anteroom" und "a small house can carry as much happyness as a large one", läßt Theo Bleckmann nur durch Aufnahmen der Experimente und Arbeit mit seiner Stimme entstehen ohne jede Verwendung von Elektronik.
- seine website: www.theobleckmann.com

Wednesday, October 25, 2006

24.10.06 - Geoff Muldaur, Optimal München

Die Konzerte, die ich in den vergangenen Jahren von Geoff Muldaur besuchte, waren mit Ausnahme schöne, spezielle kleine Events. Er spielte in Clubs mit guter Bühnenatmosphäre, bei der er die Magie, die er in so manche der Interpretationen von Songs aus der amerikanischen Folk- und Bluesgeschichte zu zaubern vermochte, entfalten konnte. Feine akustische Gitarre und Fingerpicking und seine außergewöhnliche Stimme, von der Richard Thompson gesagt haben soll: "There are only three white Bluessingers - and Geoff Muldaur is at least two of them."

Im Plattenladen Optimal in München saß Geoff Muldaur bei heller, kalter Raumbeleuchtung auf der Bühne, es gab kein Stagelightdesign, weshalb die besondere Stimmung, die er bei seinen Auftritten eigentlich zu schaffen vermag, es etwas schwer hatte in dieser Raumsituation zu entstehen. Bei manchen Songs ging zwar die Faszination von ihm aus, die einen in den Bann ziehen kann, doch das Gesamtkonzept des Abends kam nicht so stimmig zur Wirkung, wie ich es von Muldaur kannte.

Saturday, October 21, 2006


Ornette Coleman, 1961...

Ok, eintauchen in die Vergangenheit: Folge den Saxophonmelodien von Ornette Coleman... Nimm beispielsweise, selbst wenn eher weniger spektakulär, "Ornette!" aus dem Jahr 1962. Mitmusiker: Don Cherry, Scott LaFaro, Ed Blackwell. Gelbtürkisfarbenes abstraktes Cover mit experimentellem Ornetteschriftzug. Musikstücke mit zwar traditionsbezogenen Elementen doch im Grunde konsequente Innovation. Wie nur Monate vorher u.a. mit den Aufnahmen zu "Free Jazz" begonnen worden.
Ornette Colemans Saxophon war vom ersten Hören an für mich etwas Entscheidendes, Essentielles, wofür es keine Alternative gibt und wahrscheinlich auch nicht geben wird. Da passiert etwas Unersetzbares in einem ganz besonderen, zeitlosen Raum. Anders die sozusagen einfach cool zu sein scheinenden Baß-, Schlagzeug- und Trompetensolos der Band, die wie eine hübsche Zeitreise fast 50 Jahre zurück wirken. Und doch will ich manchmal nichts Aktuelles damit tauschen.
Natürlich sind wir immer einerseits in Die-Geschichte-wiederholt-sich-selbst...In der Harmolodic Colemans jedoch herrscht andererseits eine andere Zeitrechnung, gelten andere Gesetze...
"I've known people of whom it can be said they have never lost their sense of rage. But rarer, and therefore more in tune with the life forces of the universe, are those like Ornette, who have never lost their sense of wonder.", schreibt Nat Henthoff auf dem Cover.
weitere Informationen: http://www.harmolodic.com

Monday, October 02, 2006

26.09.06 Jed Perl - "New Art City" - Abenteuer von Malern und Schriftstellern im Manhatten der 1950er Jahre" - Vortrag im Haus der Kunst, München

"The idea of the spirit of a city" (Perl)... - ich entdeckte die New York School für mich schon vor vielen Jahren. Abstract expressionism, action painting, color field. Jackson Pollock, Willem de Kooning, Franz Kline, dann Mark Rothko, Ad Reinhardt, Barnett Newman. Und andere. New York, nicht mehr Paris, war Metropole in den 50ern gewesen. Was dort begonnen hatte weckte mein Interesse, faszinierte mich, wirkte magisch auf mich. Ich verinnerlichte Werke dieser Zeit, las Biografien und besuchte Ausstellungen. Der Vortrag nun ergänzte meine Kenntnis nur noch durch einige prägnante Anmerkungen und Hinweise und ich wurde darauf aufmerksam, daß auch der Münchner Hans Hofmann eine Rolle zu spielen begonnen hatte damals bei den New Yorkern.
Und die Literatenszene: Beat Generation. Allen Ginsberg, Jack Kerouac und namhafte andere sogenannte "Subterraneans"sollen zu dieser Zeit die Bar San Remo zum Künstlertreff der Stadt gemacht haben. William S. Burroughs soll da noch in Paris geschrieben haben. (Recherchierte ich dann zuhause nochmal nach.)
"They weren't afraid of something that felt strange and difficult", sagte Perl.
Vom Spirit des New York der 50er brachte Jed Perl jedoch nicht so sehr viel zum Ausdruck. Ob ihm das dann im gerade veröffentlichten Buch "New Art City" gelang?

Mir fällt nach dem Vortrag Ornette Coleman ein. Er war 1960 bei den Aufnahmen der Third Stream-Kompositionen "Jazz Abstractions" als Musiker dabei und das Bild "White Light" von Jackson Pollock ist mit beim Coverdesign seiner zur selben Zeit entstandenen LP "Free Jazz".
Der Geist der Szene des New York der 50er Jahre hatte entscheidenden Einfluß auf das weitere Kulturleben insgesamt.
(Bild zeigt Jackson Pollock im Atelier in den 50er Jahren)

Sunday, September 17, 2006

Rock - Ich spreche von Postrock...

Wenn, dann also unbedingt:
-Wolf Eyes http://www.wolfeyes.net


(Foto: von Battles)

Thursday, September 07, 2006

"Landmarks of New York - Historische Architekturfotografie", Amerika Haus München

Ich weiß von New York bis in manches Detail. Am meisten von der Kunst- und Kulturszene, speziell der Musikszene. Natürlich von der Geschichte des Jazz . Tin Pan Alley, die Zeit des Swing, Bebop, Cool Jazz, Hard Bop, dann Free Jazz, Jazzcore und die derzeitige Avantgardeszene von Downtown Manhatten. Das ist auch mein Kosmos. Und am besten wäre ein Flugticket, mich mit Freunden und Bekannten in New York verabreden, Konzerte im The Stone und anderen Clubs besuchen und einfach ins kulturelle Leben der Stadt eintauchen.

Zwar habe ich auch aus der Distanz ein immer genauer werdendes Bild der New Yorker Szene. Doch das äußere Stadtbild, das ich mir bisher machte, blieb dabei zu oberflächlich. Einen repräsentativen Überblick und eine Analyse der architektonischen Entwicklung New Yorks und seiner Wahrzeichen, Gebäude, Innenräume, Parks, bietet die Ausstellung "Landmarks of New York" im Amerika Haus mit 81 Schwarzweißfotografien. Sachliche Architekturfotografie mit dokumentatorischem Charakter in klassischer Qualität. Völlig eliminiert bleibt dabei das Sozialleben der Stadt, Menschen sind auf den Bildern nicht zu sehen und der Fokus ist rein auf die Architektur gerichtet. Ruhig beginnt sich der Blick auf Details zu konzentrieren, analysiert Form, Stil, Material. Die chronologische Anordnung der Bilder beginnt mit Holzwohnhäusern aus dem 17. Jahrhundert, Brown House, 1661, Gebäuden im Renaissance Revival Style, City Hall, 1812, dem kleinen Reihenhaus Charlie Parker Residence, 1849, führt zum Bauen im Beaux-Arts Style, Public Library, 1911, zu danach entstehenden Wolkenkratzern beeinflußt von Gotik, Woolworth Building, 1915, oder dem Luxus von Art-Déco, Empire State Building, 1931, und Chrysler Building, 1938, mit seiner glänzenden Stahlspitze, und geht bis zum schnörkellos geometrischen International Style, Seagram Building, 1958, geplant von Mies van der Rohe und dem Guggenheim Museum, 1959, von Frank Loyd Wright.
Klar und präzise genau vermittelt wird die architektonische Entstehung New Yorks, dessen Umfang 1898 aus dem Zusammenschluß der 5 Stadtbezirke Bronx, Brooklyn, Manhatten, Queens und Staten Island entstand und das heute über 8 Millionen Einwohner hat. Die größte Dichte architektonisch bedeutender Bauwerke, die geschützte Objekte sind, ist auf der auf einer spitzen Felszunge liegenden Insel Manhatten, die East River, Hudson und Harlem River begrenzen. Mit prägend sind dort in der Baugeschichte die Elemente europäischer Kulturgeschichte. Und selbst bei der Brooklyn Bridge, 1883, weisen die Steinpfeiler gotische Merkmale auf. Neo-Renaissance und Neo-Gotik findet sich überall im Fassadenbild der Stadt. In Midtown ist die St. Patrick's Cathedral, 1879, in der Bauhöhe fast wie geduckt unter der der modernen Hochhäuser, rein gotisch nach dem Vorbild französcher Kathedralen erbaut. Die Gegensätze von Historismus und Moderne sind direkt nebeneinander und vereint besonders in Manhatten. Im Stadtteil der Wohlhabenden.
Die Bevölkerungsschichten teilen sich auf und leben in unterschiedlichen Vierteln. New York hat dementsprechend verschiedene Erscheinungsbilder, die die Ausstellung nicht alle zeigt. Diese stellt den von der Landmarks Preservation Commission bestimmten Teil des kulturellen Erbes der Stadt vor.

Jetzt, nach dem sehr gründlichen Einblick in die Architekturgeschichte New Yorks, verstehe ich die Trompetenmelodie von Don Cherrys Stück "Art Deco" aus dem gleichnamigen Album von 1988 wirklich. Das Nostalgische darin, das an Frankreichs Art-Déco und die Eleganz einer Form ohne eindeutig zugrundeliegendes Stilmerkmal mit Ursprung im Wiener Jugendstil erinnert. Stil, wie er auch im New Yorker Hochhausbau aufgegriffen worden war.

(Foto: Laura Napier)

Sunday, August 27, 2006

Wolf Eyes & Anthony Braxton "Black Vomit" 2006

Anthony Braxton, der in der Spannweite von Improvisation, Jazz, Free Jazz, Orchestermusik arbeitet, der seit den 60er Jahren veröffentlicht, der Professor ist, und auf "Black Vomit" die Freiheit seiner Saxophonmelodie über den Klanglärmwänden der jungen Band Wolf Eyes, die darunter wie die Architektur eines Verlieses wirken. Aufgenommen live beim Victoriaville Festival 2005.

Bei dem Albumtitel "Black Vomit" denke ich unvermittelt an Bilder von Gottfried Helnwein: "Antonin Artaud" (1989), ein Porträt in rosa Pastelltönen, das Artaud zeigt, der eine schwarze Masse ausspuckt wie eine Sprechblase.

Saturday, August 26, 2006

Wolf Eyes
- "Dead Hills" (2002)
- "Stabbed In The Face" aus "Burned Mind" (2004)
- "The Driller" (2006)

Klangmaterial aus Geräuschen, Lärm, Minimalismusstrukturen. Hergestellt u.a. mit Electronics, Cassettenloops, Gitarren, verfremdeten Gesangsparts.
Weiterführung von Industrial, wie von "This Heat"begonnen in den späten 70ern als Terrain genutzt zu werden, in Industrial-Hardcore-Noise. Geprägt und beeinflußt von den Musikszenen Detroits und New Yorks.
Songs als Musikstreifen, die zerstörendes und selbstzerstörerisches Gefühlspotential widerspiegeln, wie es latent vorhanden ist oder sich in Form von Gewalt zeigt in dieser Welt. Nicht vordergründig die Vertonung von äußeren Bildern sondern eher Auslotung von inneren Zuständen. Emotionswelten von Tätern und Opfern wie ineinandergespiegelt. Daraus entsteht eine treibende, positive Kraft. Kulturelle Gegengewalt gegen reale Gewalt.
(Bild: von website Wolf Eyes)

Wednesday, August 23, 2006

Carlos Reygadas "Battle In Heaven" (2005, Mexiko)

Im unprätentiösen Monopol. Nur ein paar Kinobesucher.
Der Film purer, ungeschönter Realismus in Bild und Ton. Formen der Lethargie mutieren zu Dekadenz, Gewalt und Wahn. Ein gnadenloser Blick durchs Objektiv, wie ihn auch viele nicht akzeptieren und sehen wollen. Dabei werden Strukturen bloß- und offengelegt, gesellschaftliche, emotionale. Das gefällt so manchen nicht. Doch genau dorther kommt die Qualität und Wichtigkeit von "Battle In Heaven".
(Foto über Neue Visionen)

Sunday, August 20, 2006

Jeffrey Foucault "Ghost Repeater", 2006

Ich sitze in der Münchner Innenstadt und trinke einen Espresso. In einem pinklilafarbenen Treppenhaus kommt man auf einer Wendeltreppe hier her in den 5. Stock in die Räume des Café Glockenspiel. Als ob es in dieser Stadt doch Orte gäbe, die ich wirklich mag.
In meinem CD-Player habe ich in diesen Tagen "Ghost Repeater" von Jeffrey Foucault dabei. Ein Freund aus einer nahen Kleinstadt hatte mir dieses Album mit einigen weiteren, neuen Americana-CDs geschickt. Ich laß mich von der Stimmung der Foucaultschen Folk- und Country-Songs beeinflussen. "...They put me off outside of town / A cold black rain was falling down / I lay my head on the red clay ground / And slept for a thousand years / I woke into a feverdream / Where silence talked and money screamed / And nothing was but only seemed / And no one seemed to care..." (aus "Train To Jackson") Es ist lang her, daß ich draußen auf'm Land war. Das Gefühl dafür ist mir vor Jahren abhanden gekommen. So lasse ich mich momentan von Foucault dahin zurückbringen. Er kommt aus dem Mittelwesten Amerikas. Ein traditioneller Singer/Songwriter, der einen authentischen Blick ins ländliche Leben der Staaten vermittelt, aus der Sicht eines intellektuellen Beobachters. Ein besonderes Gespür für Einfachheit, Klarheit, Leichtigkeit ist in seinen Songs, die zwar stark mit Coutrymusik zu tun haben, doch andererseits nie pathetisch werden sondern coole Transparenz vermitteln. Eine Art klarsichtige Melancholie. Die der Produzent Bo Ramsey, der auch z.B. für Lucinda Williams arbeitete, mit zu schaffen vermochte. Selten hört man Acoustic Guitar, Pedal Steel Guitar, Resonator Guitar, Weissenborn in solcher Qualität. In "One For Sorrow" wird auf Tom Petty verwiesen, dessen aktuelle Solo-CD "Highway Compagnion" auch einige schöne Songs mit schnörkelloser Gitarrenarbeit enthält . Ich spreche hier von Menschen, die Rückbesinnung und Tradition ins Bewußtsein bringen wollen. Und kleine Weisheiten. "...And my dreams came to me waking / On the cobbles in the rain / Maybe nothing is forever / Nothing is in vain..." (aus "One Part Love").
Es geht nicht darum irgendwo hinzugehören oder dazuzugehören, sondern um die klassische, zeitlose Position als einzelner Geschichten erzählen zu können. Auch und gerade in oder nach der Postmoderne.
"Ghost Repeater" werden Mainstream-Radiostationen ohne persönliche Moderation genannt. Jeffrey Foucault arbeitet am Gegenteil dessen, an der Kraft und am Mut zu völliger Individualität im Spektrum zwischen abgründiger Einsamkeit, lakonischem Pessimismus und echter Lebensfreude. Doch vielleicht Momenten der Idyllisierung eine Spur zu nah.
Informationen: www.jeffreyfoucault.com
(Foto: Sandy Dyas)

Wednesday, August 16, 2006

Kim Ki-Duk - "Hwal - Der Bogen" (2005, Südkorea) -
Münchner Filmkunstwochen 2006

Idyllen bestehen nicht. Wohl jede poetische Welt ist ein magischer Raum für sich, der zerstörbar ist von außen.
Eine kleine Geschichte. Kaum Handlung. Ein alter Mann hat ein Jahrzehnt lang ein Mädchen aufgezogen, erzogen, mit ihr auf einem Fischerboot lebend. Ein Ort des Buddhismus. Kontakt zur Außenwelt besteht nur durch Fischer, die sich gelegentlich zum Angeln auf dem Boot aufhalten. So stören sie die harmonische, wortlose und besondere Beziehung der beiden Bootsbewohner durch niveaulose, provozierende Wortwechsel und Belästigungen, so dringt aber auch die Wahrheit ein: Es ist an der Grenze zur Perversion, wie der Alte das Mädchen vom normalen Leben fernhält und die Hochzeit plant. Daß es eine wunderschöne, wertvolle Welt für sich ist, in der Traditionen noch Bestand haben und in der außergewöhnliche Fähigkeiten, wie die zum Orakel oder zu Folkmusik auf einem Bogen aufrechterhalten werden sollen, hat langfristig keine Chance in unserer Realität.
Ein grausamesSpiel in schönen Bildern und mit Gefühlen beginnt. Der Bogen, der mit einem Resonanzkörper daran befestigt, Musikinstrument ist, kann auch zum gefährlichen Bogenschießen benutzt werden. Zuneigung wird zu Abneigung, Liebe zu Haß und Brutalität entsteht neben Zärtlichkeit. Als ein intelligenter, sensibler junger Mann bei seinen Bootsaufenthalten das Mädchen in die ganz normale Realität unserer Zeit zu holen beginnt eskaliert die zwischenmenschliche Beziehungswelt, in der auch das Mädchen beginnt die Fäden zu ziehen in scheinbar unentrinnbaren Situation. Es kommt auf diesem engen Lebensraum zu Szenen der Gewalt und Selbstzerstörung bis an die Grenzen zum Tödlichen, genauso wie auch zunehmend zu Bildern purer Schönheit bis über die Grenzen zum Kitsch und rein Pathetischen. Fast widerwillig gerät man in den Sog von übertrieben farbig-schönen Filmsequenzen. Die man als bewußt gesetzte Gegenkraft dazu sehen kann, daß mit Worten und Bildern derzeit oft so umgegangen wird im Kulturbereich, daß man sich auch angewidert abwendet. Geht Ki-Duk zu weit, konfrontiert man sich damit, setzt sich seiner Darstellungswelt aus. Weil er perfekt damit umgehen kann.
Der Junge und das Mädchen sehen vom Beiboot aus das Fischerboot zum Schluß sinken. Damit verschwindet auch das auf die Außenwand nach südkoreanischer Tradition gemalte Buddhabild des buddhistischen Künstlers Jung Byung -Gook, das speziell in den Orakelszenen hinter dem Mädchen auf einer Schaukel als Zielscheibe wichtig war. Und vorher war es in der Filmhandlung wie als theatralische Floskel inszeniert noch einmal um Würde und Bindung gegangen, wie es der Alte gewünscht hatte.
Bleibt die Wirkung der Bilder-, Metaphern-, Gesten- und Symbolwelt Ki-Duks wie eine starke, poetische Insel in unserer Zeit. So ist es auch mit der Filmmusik "Fade Out" und "Soaring", die von dem südkoreanischen Geiger Kang Eun-il stammt und die auf traditionelle Volksmusik Koreas auf einer Fiedel gespielt, einer Haegum, hinweist.
(Foto: von rapideyemovie)

Sunday, August 06, 2006

03.08.06 Taj Mahal Trio, Ampere, München

Wenn man die älteren Herren des Blues live hören will, dann muß man jetzt hingehen solange sie leben. Also gehe ich abends ins Ampere. Das Konzert hat längst begonnen und als ich reinkomme spielt die Band grade einen coolen, glatten Blues zu Ende, den so mancher, ich sage nicht jeder hätte spielen können. Wen geht dieser Blues was an? Mich? Mich nicht, mein erster Gedanke. Ab dem nächsten Stück ist das Taj Mahal Trio dann in Bluesrhythmus, der karibischen Touch hat und in dem afrikanische Einflüsse sind. Etwas Leichtes, Vertracktes, Tanzbares ist darin. Obwohl ich wenig Ethno höre mochte ich aber bei Taj Mahal die Melange aus Weltmusik und Blues immer. Macht Laune und tut gut. Auch mitten in der Nacht scheint da von irgendwoher auf der anderen Seite schräg noch die Sonne herein bei diesen Riffs, Melodien und Rhythmen. Töne vermischt mit Freudesplittern, die auch in pechschwarzen Seelen aufglitzern können, wenn man es poetisch formulieren will. Ich bin mir nicht sicher, ob ich poetisch werden will. Die anderen Zuhörer bringt das Konzert nun zunehmend zum Tanzen und Mitklatschen. Und mir gefällt auch sehr, wie in einem Song jetzt Baß und Schlagzeug lang in einem einfachen, magischen Rhythmusspiel bleiben, das auf die Psyche wirkt. Das ist es, weshalb ich hergekommen bin. Daß ich aber statt auch mitzutanzen anfange analytisch zu denken und auf minimale Verschiebungen im Zusammenspiel von Baß und Schlagzeug zu achten beginne und die extrem sparsame Gitarrenposition , die Mahal dabei einnimmt, ist jedoch total was für's Mentale. Das Taj Mahal Trio ist elitärer Stil, nicht einfach Feeling. Präzise Gitarrenarbeit, exakt bis ins Detail durchgeplante Rhythmusstrukturen. Das, was man tut auf hohes Niveau bringen und ins Elitäre. Darum geht es. Bei einem Bluestrio und anderswo.
Taj Mahal spielt derzeit zusammen mit Bill Rich am Baß und Kester Smith am Schlagzeug. Es gibt von dieser Formation die Veröffentlichung "Live Catch" aus dem Jahr 2003. Für die, denen die Revitalisierung des Countryblues im Zusammenhang mit der panafrikanischen Verbindung von Musikstilen etwas sagt.
Was einem der Blues gibt bei einer gnadenlos analytischen Wahrnehmung, durch die man in einem solchen Bluestrio dann Studien des Minimalismus nachgehen kann, muß man selber wissen.
Mich geht der Blues vom Taj Mahal Trio doch was an.
(Foto: Tradition & Moderne)

Saturday, August 05, 2006

"Zurück zur Figur - Malerei der Gegenwart", 2006, Hypo-Kunsthalle München

"Seit gut zehn Jahren läßt sich in der Kunst weltweit ein Trend zum Figurativen, zum Gegenständlichen verfolgen."
"Die beiden großen Linien der Moderne, Abstraktion und Figuration, verliefen immer parallel, letztere jedoch wurde bereits unzählige Male für tot erklärt. Der Titel der Ausstellung 'Zurück zur Figur' meint keineswegs eine Zurückwendung oder gar einen Rückschritt zu überkommenen Modellen. Vielmehr will er Anregung sein, darüber nachzudenken, ob es analog zum 'Retour à l'ordre' in den 1920er Jahren auch heute gesellschaftliche Verunsicherungen gibt, die Auslöser für den figurativen Trend unserer Gegenwart sind."
(aus der Information zur Ausstellung)

Im Zentrum der Ausstellung ein großer, hellgrauer Raum, der wie ein Kraftfeld wirkt mit Bildern von Maria Lassnig, Eric Fischl, Johannes Grützke, Lucian Freud, Norbert Tadeusz, Jenny Saville, neben denen noch einige weniger Nennenswerte platziert sind.
Ein Raum mit dargestellten nackten oder kaum bekleideten Körpern, auch Porträts, viel Haut, Fleisch. Der Mensch und seine jeweils ganz persönliche Situation und Befindlichkeit. Mehr nicht. An der Wandtafel der Text: "...Das derzeit so große Interesse der Künstler am Porträt genauso wie am Körperlichen und auch Seelischen läßt sich sicherlich darauf zurückführen, daß die Welt in einer labilen Übergangsphase steckt, dem noch nicht abgeschlossenen Wechsel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Die hier gezeigten Bilder von nackten Körpern gezeichnet von Krankheit, Alter, Schmerz oder Angst stehen dabei in krassem Gegensatz zur alltäglichen Bilderflut der perfekt gestylten Menschen, die Medien und Werbung im Zeitalter von Anti-Aging und kosmetischer Chirurgie verbreiten."
An einer Wand fällt als erstes das übergroße Gemälde von Jenny Saville auf, das einen Menschen zeigt, der Frau zu sein scheint mit männlichem Genital. Selbstbewußter Gesichtsausdruck. Und man sieht im Bildvordergrund direkt zwischen die Beine. Die Farbkomposition in hellweißbeigen Farbtönen bis ins Grelltürkisfarbene. Viel Oberflächlichkeit sowohl in der groben Spachteltechnik des Farbauftrags als auch in der Darstellung. Ein Mensch, der sich einfach gerne nackt zu zeigen scheint. Doch so kräftig und wuchtig präsent, daß es mehr als nur Pose ist. Daneben ein sehr kleines Porträt von Lucian Freud in beigerosagelb Tönen in einem bronzefarbenen Reliefrahmen. Unspektakulär und klassisch gemalt hat es jedoch keine geringere Wirkung als das riesige Savillegemälde.
Auf der gegenüberliegenden Seite eine Arbeit von Maria Lassnig. Vor weißem Bildhintergrund Gesicht und Oberkörper einer Frau, die Oberkopfpartie fehlt. Die Frau hält ein Glas in der Hand. Den Mund hat sie leicht geöffnet, so daß die dunkle Mundhöhle zu sehen ist. Stechendtürkisfarbene Augen, in denen grausames, schreckliches Wissen zu sein scheint, blicken leicht nach oben. Etwas macht das Bild zum Ausdrucksstärksten der ganzen Ausstellung. Auf dem Glas zeichnet sich die Form X ab.
Weitere Szenen, mit denen man von Fischl, Tadeusz und Grützke konfrontiert wird, sind in klar definierten Räumen, einem Bad, einem Atelier, einem Zimmer mit Holztisch und -möbeln. Und nur der Mensch in verschiedenen privaten Situationen, beim Duschen, beim Rasieren, auf einem Sessel kniend oder darübergebeugt oder in extrem manirierter Körperhaltung. Jeder für sich in einer mehr oder weniger alltäglichen Pose, die Assoziationen zuläßt oder einfach nur für sich steht. Einige weitere daneben ausgestellte Arbeiten erwähne ich nicht, beschreibe ich nicht, da sie nebensächlich bleiben. Für mich besteht das Kraftfeld aus genau den genannten Gemälden.
Vor dem Bild von Maria Lassnig sagt gerade eine Frau in Flüsterton: "Ihre Zeit ist abgelaufen." Körper sind vergänglich. Und durch körperliches Funktionieren und Agieren sind wir mitten im Leben präsent. Allerdings für einen begrenzten Zeitraum, diese Gedanken gehen mir in dem Moment durch den Kopf.
Noch einmal im einzelnen die für mich relevanten Arbeiten:
-Eric Fischl - "Bathroomscene #2", 2003, Öl auf Leinwand, 182,8 x 274,3 cm. Ob das Paar, das im Badezimmer eines Mies van der Rohe-Hauses abgebildet ist, wirklich nur beziehungslos nebeneinander lebt, wie im Katalog vermerkt, ist fraglich. Vielleicht ist jeder am Morgen einfach nur für sich, so wie er gerade ist.
-Lucian Freud - Head Of A Naked Girl", 1999-2000, Öl auf Leinwand, 43,8 x 33,5 cm. Das Mädchenporträt, realistisch, ungeschönt, zeigt bloßes Gesicht, kein Hinweis auf Ort oder gesellschaftliche Stellung. Die Aufmerksamkeit scheint gleichsam auf die Psyche des Modells gelenkt, aus der Wirkung und Spannung kommt, obwohl man eigentlich nur blonde, kurze Haare sieht und einen grauen Blick etwas nach unten und verschlossenen Gesichtsausdruck.
-Johannes Grützke - "Schwert umgürten und los", 2000, Öl auf Leinwand, 200 x 130 cm. Komödiantisch wirkt Grützke, wie er sich da selbst abbildet, in merkwürdiger Haltung, auf einem Tisch kauernd, das Gesicht verzerrt. Er trägt seine üblichen weißen Hosen, weiße Schuhe, die Haut des entblößten Oberkörpers ist gelb, das Gesicht rot. Vor seiner Person stehen ein paar schwarze Stiefel neben einer Büste, bei der der Oberkörper rot, das Gesicht gelb wirkt. Der Pinselduktus, in dem gearbeitet wurde, ist heftig und expressiv. Die gemalte Handlung scheint absurd. Das Dargestellte erklärt sich nicht, nichts paßt so recht zusammen, komisch, verfremdet, dramatisch, verspielt und übertrieben ernst zugleich, wie das Leben so sein kann.
-Maria Lassnig - "Die Sanduhr (Stundenglas)", 2001, Öl auf Leinwand, 205 x 157 cm. Lassnig spricht von absolutem, senkrechtem Farbsehen und vom einzig wirklich Realen, ihren Gefühlen, die sich innerhalb des Körpergehäuses abspielen, physiologischer Natur, wenn es um ihre Malerei geht: "Ich trete gleichsam nackt vor die Leinwand, ohne Absicht...". Die hier präsentierte Arbeit dürfte ein Selbstporträt sein. Stark wirken die Farbtöne rosa, gelb und grün in ihrem Zusammenspiel.
-Jenny Saville - "Passage", 2004, Öl auf Leinwand, 336 x 290 cm. Nur ein entblößter Leib ohne persönliche und soziale Attribute, weder Identität noch Individualität, sondern ein Körper, der für die Hermaphroditität steht. Ist der Blick des Modells, wie im Buch mitgeteilt, verloren und leer? Ich sehe auch so etwas wie Trotz, Eigensinnigkeit über den Mut zu keiner eindeutigen Geschlechtszugehörigkeit. Auch ob es um Zerrissenheit geht, wie behauptet wird, stelle ich in Frage.
-Norbert Tadeusz - "Atelier II", 2002, Acryl auf Leinwand, 190 x 190 cm, "Schwarzer Sessel, Schatten (Testa)", 2002, Acryl auf Leinwand, 150 x 100 cm. Von oben quer auf das Modell und den Atelierboden blickt man in einen Raum, der in seltsam grün-blaues Licht mit starken Schattenstreifen getaucht ist. Wie auf einer Bühne posiert eine nackte Frau, man kann weitere Handlung ahnen , obwohl nicht expliziet auf Geschehen hingewiesen wird, in einem Zwischenreich aus Alltäglichkeit und Theater.
Das ist der Realismus in den von mir ausgewählten Malereien, an der Grenze zum Theatralischen. Weitere Austellungsbereiche, bezeichnet "sachlich - magisch - surreal", "Porträt", "Pop - Crossover - Subkultur", "Alltag - Gesellschaft - Politik" und "Welten - Gegenwelten" blieben für mich marginal. Mich zog es in den hier näher definierten Ausstellungsbezirk "Körper und Psyche".

Gemälde der Künstler auf websites:
www.ericfischl.com
www.ibiblio.org/wm/paint/auth/freud
www.artnet.com/artist/10133/maria-lassnig.html
www.saatchi-gallery.co.uk/artists/jenny_saville.htm
Bild von www.tadeusz.de - Norbert Tadeusz, "Roter Sessel 2", 2000, 210 x 222 cm, eine nicht in der Ausstellung präsentierte Arbeit von ihm.

Friday, July 28, 2006

21.07.06 Doch kein Filmfestbesuch

Der Himmel über der Stadt ist rosa gefärbt von Gewitterstimmung im Abendlicht. Eine seltsame Atmosphäre macht sich zusammen mit der Sommerhitze breit. Ich begebe mich auf den Weg in die Innenstadt zum Filmfest um den neuen Film von Kitano anzusehen. Von der Straße aus blicke ich direkt in die tiefhängende Gewitterwolkenfront vor mir, die nun ganz dunkellila heruntersinkt. Windböen frischen die Luft auf, in der auch jetzt abends um neun Uhr schwer die Hitze steht.

Ich fahre bis zum Isartor und will sehen in welchem Kino dort der Film läuft. Als ich das eine der Kinos betrete, finde ich mich in einem total verlassenen Gebäude. Kein Mensch im Foyer, niemand im angrenzenden Café, kein Kinosaal wird genutzt. Es ist noch nicht zehn Uhr und es sieht aus als hätten alle aus einem unerfindlichen Grund das Filmfest verlassen. Beim Hinausgehen treffe ich auf jemanden, der beginnt die Türen zu verriegeln. Ich frage nach dem Maxx. Der Typ sagt: Mit zwei X. Das hier ist das Forum. Das Maxx ist ein Stück weiter auf der anderen Seite der Isar. Dort also mitten ins Filmfest. Ich erfahre, daß "Takeshis'" von Kitano ausverkauft ist. Als ich am Eingang frage, ob noch jemand ein übriges Ticket hat, bekomme ich nur für einen anderen Film eine Karte angeboten. Ich gehe die Treppe hinunter in die Tiefe des Foyers und sehe mich im Raum um. Auch hier hat noch jemand Tickets für irgendeinen Film abzugeben. Ich blicke auf die Leute, die vor den Türen auf Einlaß warten. Auf einmal denke ich, daß das, was ich jetzt sowieso nicht will, ist, in einem bis auf den letzten Platz besetzten Kino sitzen in einer Menschenmenge. Ohne zu zögern gehe ich wieder nach draußen. "Takeshis'" wird demnächst in einem Wochenprogramm gezeigt werden, dann wird genau der richtige Tag dafür sein. Ich mag mit Menschenansammlung auf einem Fest nichts mehr zu tun haben und informiere mich auch nicht mehr über American Independents, obwohl mich das interessiert, sondern gehe.

Alle, die in der Stadt unterwegs sind, sind spärlich hochsommerlich gekleidet: Kurzes Kleid, Minirock, Trägershirt, Shorts, Bermudas, sonst lauter nackte Haut. Mir gegenüber eine Frau in einem dünnen, türkisfarbenen Abendkleidchen mit Pailetten am Ausschnitt. Und spitze beigefarbene Riemenschühchen an. Mich nerven jetzt auch die Leute, die mir begegnen.
In meinem Wohnviertel am Rande der Innenstadt stelle ich fest, daß nun völlige Windstille herrscht, die stundenlang drohenden Gewitterwolken sich an den Horizont entfernten und auch nachts um elf überall nur die erdrückende Hitze hängt.
Wäre ein Kneipenbiergartenabend. Wenn man wollte.

Thursday, July 13, 2006

Substanz und Tiefe

Kürzlich konfrontierte ich eine Musikjournalistin damit: "Du erinnerst explizit an die 90er, Beasts of Bourbon etc...Manchmal scheint es, als ob von der Substanz der 90er einiges umsonst war." Im folgenden Wortwechsel an mich die Frage, was ich unter Substanz verstehe.
Beasts of Bourbon erinnerten mich an die Substanz der 90er. Dabei waren sie eine Rockband, die ich grade mal gelten ließ. Substanz, das war für mich eher Townes van Zandt, einerseits, andererseits durfte es Henry Rollins sein, oder die Godbullies. Substanz in der Musik fand ich gerne im klassischen Songwriting oder im Hardcorerock.
Einfach zwei, drei weitere Namen nennen, um zu definieren, was ich unter Substanz verstehe? Sagen wir: Dem kommt die Band Califone nahe. Finde ich verstärkt im Jazzcore.
Auf'm Tisch liegt ein Artikel der SZ vom 3./4./5. Juni 2006 von Joachim Kaiser mit dem Titel: "Tiefe - Wagen wir uns in diesen wunderbaren Abgrund: Über ein unlösbares, doch unabweisbares ästhetisches Geheimnis". Tiefe dürfte mit Substanz vergleichbar sein, denke ich. Und dann folgen Stichworte wie: "elitärer Bezirk", "profunde Substanz", "Komplexität", "arroganter Hochmut". Und ein Text, der beim ersten Lesen regelrecht konservativ wirkt, geradezu schulmeisterlich scheint und mit einem Foto kombiniert ist, das ausgerechnet ein Klischee, einen Weg, zeigt. Beidseitig von einem schmalen Holzpflockzaun gesäumt, auf einen dunklen Wald zuführend bei dem man an nur einer Stelle in helles Licht durchsieht. Neben diesem Bild "Weg im Hornerpark" von Eduard Arning die Anmerkung: "Tiefer Gedanke ist ein Gedanke von gleicher Mächtikeit wie ein Gongschlag in einem gewölbten Saal. Er läßt Räume spüren, wo Dinge vorhanden sein mögen, die man nicht sieht und die vielleicht da sind: aber die Stärke des Widerhalls läßt sich notwendig vermuten. Wenn dieser Saal nicht begrenzt wäre, würde der Schlag sich ohne Widerhall verlieren: es gibt also keine Tiefe, die zu irgendeinem Unbegrenzten Beziehung hätte." (Paul Valéry)
Mache ich mir klar, was Substanz ist, ließe sich vielleicht einfach sagen: die wesentlichen Grundlagen, das Innerste, Essentielles. Also auch Tiefe.
Wenn "etwas an die Substanz geht", wird das Grundlegende angegeangen, dann greifen die inneren Schutzmechanismen nicht mehr. Am Gegenpol von Oberflächlichkeit.
Aber geht man davon aus, wie Descartes oder Spinoza, daß es nur eine Substanz gibt, meinetwegen Natur oder Gott in vielerlei Anschauungen, dann kann man dem entgegensetzen, wie Leibniz oder Kant, daß es viele verschiedene Substanzen gibt. Und: "In der modernen analytischen Philosophie wird der Begriff der Substanz weitgehend vermieden. Statt dessen besteht die Tendenz, alle singulären Terme zu eliminieren und sie durch Quantoren, gebundene Variablen und rein prädikative Terme zu ersetzen (Goodman, Ayer). Diese Tendenz entspricht der empirischen Tradition, der zufolge ein individuelles Ding nur eine Summe (ein Bündel) von Eigenschaften ist." (Lexikon der Philosophie, Uwe Wiedman)
Über die Kurzbeschreibung zu "Substanz und Identität" von Winfried Löffler finde ich: "Eine Standartantwort seit der Antike lautet: Die Welt besteht aus Substanzen mit ihren wechselnden Eigenschaften. Die gegenwärtig analytisch-philosophische Ontologiedebatte stellt jedoch auch Alternativen zur Substanzontologie bereit - etwa die sogenannten 'Tropenontologien', die individuelle Eigenschaftsvorkommnisse als letzte Bausteine der Welt annehmen."
Leicht dürfte es sein, wenn man sich orientiert an dem Satz von Ludwig Wittgenstein: "Die Gegenstände bilden die Substanz der Welt."
Auch die Gegenstände der Musiker...
"...Tiefe entsteht anders.", schreibt die SZ. "Zum gegebenen, nachvollziehbaren Verlauf muß ein neues Moment hinzutreten. Das sollte dem vorausgegangenen verbunden sein: nicht unbedingt demonstrativ überdeutlich, aber doch subkutan, nachprüfbar, zumindest erahnbar. Ein Element der Überraschung, der anspielenden Verwirrung, des Nicht-Geheuren, der symbolischen Beziehung müßte gleichfalls hinzukommen..."

Thursday, July 06, 2006

Musiclist - 2005/2006 - für mich entscheidende CD-releases der vergangenen Monate:

Tortoise & Bonnie Prince Billy - "The Brave And The Bold" (2006)
John Cale - "Black Acetate" (2005)
Smog - "A River Ain't Too Much To Love" (2005)
T-Bone Burnett - "The True False Identity" (2006) http://www.tboneburnett.com
Scott Walker - "The Drift" (2006)
Bill Bourne - "Voodoo King" (2006)

Wednesday, July 05, 2006

01.07.06 "Schwarz auf Weiß"/Heiner Goebbels/Ensemble Modern - Prinzregententheater München - Festspiel+

Musiktheater mit Lichtregie als starke Parallelwirkung zur Musik: kaltes, weißes Licht, oft stechend auf Metallenem aufblitzend, dann warmes Feeling suggerierende Szenen in verhalten gelbem Leuchten, im Wechsel von längeren Intervallen in die man eintauchen kann. Auch in das organisierete Chaos, das sich entwickelt aus Musik und Geräusch, das nicht nur durch Musikinstrumente sondern ein Herumgespiel mit allerlei Dingen entsteht. Das kratzende Geräusch einer Schreibfeder, Bälle krachen auf Blech und herumgeworfene Sachen scheppern auf'm Boden. Die Musiker des Ensemble Modern in scheinbar ungezwungenem, verspielten Treiben auf der Bühne in einem Bühnenbild, das aus einfachen, klaren, streng angeordneten Formen und Bankreihenen besteht, die auf japanische Architektur und Zen verweisen und ein Schattenspiel auf einer weißen Rückwand, das mich an Fotos und Plattencover der Jazzszene Amerikas etwa der 50er Jahre von Hard Bop bis New Thing erinnert.
Die Komposition "Schwarz auf Weiß" von Goebbels (1952) ist aus dem Jahr 1996. Teilstückhaftes aus Jazz und E-Musik und Folkmusik ineinandergreifend. Stilebenen von Rockmusikstrukturen über vorsichtig leise, einfache Soloklänge einer Geige oder einer Koto, kleine Streichersätze, Bläsergruppe und bis zu Passagen im Grenzbereich des Experimentellen. Und schön inmitten darin immer wieder Momente aus Bildern und Musik die ins poetisch Absurde gehören . Dies 1996 noch zum Genießen, heute für die Erinnerung daran? Das Heute kann aussehen wie die Bühne im Mittelteil der Aufführung: die Rückwand auf dem Bühnenboden herumliegend wie eine hingeworfene Plane. Stehleitern aufgestellt auf einer Art Baustelle. Kulissenteile brechen schließlich herunter.
Und in die Tiefe des nun ganz offenen Bühnenraums seltsame Choreografie, eine Gruppe, später ein Einzelner, wie marschierend. Verschwindend im Hintergrund.
Daß der ganze Raum auch zum Erstarren gebracht werden kann, fast menschenleer und ohne Bewegung und in ein fahles Licht getaucht wie eine Grabkammer, entspricht den Texten. Vom Band eingespielt wird: Heiner Müller (1929 - 1995), der "Schatten" von Edgar Allan Poe (1809 - 1849) liest. Und man muß wissen, daß Heiner Müller oft wichtig gewesen war für Heiner Goebbels frühere Arbeiten, daß Heiner Müller kurz vor Entstehung von "Schwarz auf Weiß" starb. Die Parbel "Schatten" beginnt mit den Worten: "Du, der Lesende, weilst noch unter den Lebendigen; ich, der Schreibende aber, habe längst meinen Weg ins Reich der Schatten genommen..."
Die szenische Aufführung ist in der Spannweite von Requiemcharakter bis munter annähernd Zirkushaftem. Spiel und Ernst. Chaos und Ordnung. Leben und Tod. Nah beieinander. Bis fast ein und das selbe. In einem Sammelsurium das aber eine innere Ordung hat und auch präzise funktioniert. Zusammen mit zwei weiteren Textfragmenten: Von Maurice Blanchon (1907 -2003) über das Schreiben, der Beginn des Romans "L'attende L'oubli"/"Warten, Vergessen". Und Verse des englischen Dramatikers John Webster (um 1580 -1625), die von T.S.Eliot (1888 - 1965) in "The Waste Land" zitiert werden.
Bleibt mir seltsamerweise stark in Erinnerung ein Lichtpunkt, eine Lichtquelle, die immer wieder längere Zeit aus dem Hintergrund direkt in den Zuschauerraum leuchtete. Durchdringend. Zum Ende des Stücks langsam erlischt. Ich denke einen Moment: "Wie verlöschendes, zuende gehendes Leben." In der Erinnerung sehe ich immer noch diesen Leuchtpunkt. Er leuchtet auch im finsteren Raum der geschlossenen Augen. Abends. Am Morgen. Auch am hellen Tag plötzlich daran denkend wieder dieser Lichtpunkt.
Als Resüme vielleicht: Sollte man ironisch bleiben wie der Musiker, der unvermutet einen Wasserkessel aufsetzt um Tee zu kochen und dann zum Summen des kochenden Kessels einfach ein bißchen Flöte spielt. Dies ließ der Alltag 1996 jederzeit zu. Die Zeiten jedoch haben sich verändert. Gerade noch gehört dieses verspielt Ironische in die im Grunde genommen Härte des Stücks und gerade noch in die Interpretation der Gegenwart. Und spielt sich im Vordergrund ab, wie außerhalb.
Die Spuren, die in 10 Jahren seit der Entstehung der Aufführung das Leben hinterlassen hat, sind der Interpretation von 2006 nicht ganz anzumerken.
Es ist wie auf eine Utopie zurückblicken. Die nicht zerstörbar ist. Auch wenn nach außen alles zusammenbricht...
-weiteres über Heiner Goebbels Arbeit: http://www.heinergoebbels.com
und Aufführungsort www.prinzregententheater.de

Sunday, July 02, 2006

München Opernfestspiel+

Am 30.06.06 will ich an der Abendkasse der Oper eine Karte für den nächsten Tag "Schwarz auf Weiß"/Heiner Goebbels/Ensemble Modern kaufen. Ich gehe über den Max-Joseph-Platz und wundere mich über eine kleine, hübsche theatralische Szene: Ein kaum zweijähriges, blasses Mädchen trägt einen großen, alten Lederkoffer. In Begleitung eine rot gekleidete, blasse Frau. Ich lächle amüsiert. Gehe weiter und sehe einen Orchestermusiker im Anzug dastehen, Posaune in der Hand. Er lächelt. Blickt Richtung Opernhaus. Ich blicke auch Richtung Opernhaus, denn da will ich hin um das Ticket zu kaufen. Auf dem Platz und auf der Eingangstreppe wartet eine Menschengruppe auf den Beginn einer Vorstellung. Ich kaufe an der Abendkasse das Ticket für "Schwarz auf Weiß" und beim Weggehen denke ich: Theaterpublikum, vom unter der Armutsgrenze lebenden Jobber bis zum Bestverdiener der Managerklasse. Turnschuhe, Jeans, T-Shirt neben teurem blaßlila Abendkleid oder Fliege. Ich wende mich um, nochmal ein Blick auf die Menschenansammlung und nun steht der Posaunist auf dem Giebelfirst der Staatsoper . Etwas irritiert achte ich auf die Akustik seines Spiels im Freien und realisiere jetzt, als eine Frau an den Rand des Dachfirstes tritt, daß ich Zuschauer einer Theateraufführung bin. Ich lehne mich an einen Steinpfosten. Es ist ein heißer Vorsommerabend zum Genießen. Die Frau oben auf der Staatsoper steht ganz am Rande des Abgrunds. So sieht jemand aus der springen will. Dann wird in Zeitlupe als Beginn dieser künstlerisch-artistischen Aufführung die Bewegung des Abspringens gezeigt bis die Frau kopfüber in den Abgrund hängt. Idyllischer Abend, nett unvermutet solche Bilder zu sehen. Die Artistin zeigt eine Choreografie auf einem Minitrapez vor dem Figurenrelief im Giebeldreieck der Nationaltheaterfront, die nach dem zweiten Wiederaufbau 1959 genau dem Entwurf von 1811 des Architekten Karl von Fischer entspricht. Ein geturnter moderner Tanz in freier Höhe. Bewegungsfiguren in der Luft vor historischer Figurengruppe in Steinwand. Gegenwärtig Artifizielles vor geschichtlichem Hintergrund. Abgesichertes Tun und gefährlich harte Kante zugleich. Als die Dame auf halber Höhe aus ihrem Trapez in zwei rote Bänder klettert, gleitet, sich versteckend, umwickelnd und windend und eine rotglitzernde Konfettiwolke in der Abendsonne flirrt will ich soviel Opern-Tanzakrobatik-Zirkus-Schnickschnack nun doch nicht haben und gehe mit dem Ticket für "Schwarz auf Weiß" .
Zuhause lese ich im Programm, daß ich in "Live Sculpture, Apokatastasis - ein öffentliches Geheimnis", oder zumindest in den Beginn davon, geraten bin. Vorgeführt vom Theater Vaivén aus Berlin. Sich tummelnde Geister und Traumschlingen, wie im Programm versprochen, sah ich nicht. Doch daß ich an der Schnittstelle zwischen Realität und Fantasie war, dort am Opernhauseingang, bestreite ich nicht. Mir öffnete sich einen Moment ein Blick vom Progressiven über's Konservative durch's Reaktionäre in einen erschreckenden Raum vom freien Fall im Zwischenraum von Realität und Fantasie.
Und daß die Posaune den Ruf des Orpheus vom Dach schickte mag ich wirklich glauben. Der Gedanke gefällt mir "im Kreuzfeuer des Alltags".

-über die poetische Welt des Theater Vaivén: http://www.vaiven.de/home
und Kontext: www.bayerische.staatsoper.de