Friday, May 23, 2008

(Foto: Tina Karolina Stauner, 2008)

Scout Niblett, Die Registratur, München, 14.05.08

Kontrollierte Extreme und Ungeschliffenheit

Scout Niblett stellt sich allein mit ihrer E-Gitarre auf die Bühne, versetzt sich in ihrer Vorstellungswelt in eine Stadt namens Himmel und verkündet: "but I am your queen and you are my king". Sowas geht auch nur noch bei Niblett gut. Wahrscheinlich weil sie in irgeneiner Sache mit dem Captain konspiriert, auf dessen Schiff sie da also geraten ist, wie wir auch gleich erfahren haben. In "Do you Want To Be Buried With My People". Und wir wissen auch: Sie könnte umgebracht worden sein. Nicht nur wegen eines Kusses. Statt dessen hat sie aber ihr viertes Album "This Fool Can Die Now" veröffentlicht. In München war da irritierenderweise beim Soundcheck bei ihr und dem sie begleitenden Drumer eine Explosion im Kopf, erzählt sie, die eine tödliche Thrombose hätte sein können. Aber dann war das eben glücklicherweise eine Explosion im Hirnstoffwechsel, die in ein wunderbares Konzert führte. Faszinierend wie sie schon im ersten Song in ihrem ganzen Ausdrucksspektrum ist. Ihre helle, gefühlvolle aber durchsetzungsfähig dominante Stimme steigert sich oft in ein fast agressives Schreien, bei dem sich ihr Gesicht verzerrt anspannt. Sie kann aber auch einfach vielsagend schweigend, elfenhaft vor sich hin sehen. Und mal wirkt sie verschlossen, fast wie verbissen, im nächsten Moment dann erstrahlt ein übertrieben breites Lächeln. Ihr lautes Vorsichhinlachen immer wieder zwischendurch klingt lieblich entrückt wie böse zugleich. Sie hält Extreme und Ungeschliffenheit unter Kontrolle. In ihrem Verhalten und in ihrer Musik. Der Minimalismus ihrer Songs, einzelne, meist langsam hingezupfte, angerissene Gitarrentöne und -akkorde, mündet immer wieder in besonders hübsche Melodien oder aber im Gegenteil in schräge Krachattacken und Lärmorgien. Und der Schlagzeuger steigt mal sparsam einfühlsam, mal mit plötzlichen Schlagzeuggewittern in manche Songs mit ein. In "Moon Lake" sitzt sie selber an den Drums und baut sicher ihren Gesang mit ein. Ihr Auftreten aus der Nähe beobachtend und analysierend muß ich auf einmal doch denken, daß da etwas zu viel Banalität und Naivität ist, in dem was sie mitteilt und spielt. Aber mit der Intensität, mit der sie alles zur Schau stellt, steht sie über so kritischen Gedanken. Und im Grunde stimmt einfach, daß es Spaß macht zu sehen und zu hören mit welchem Charme und in welchen Gefühlsfacetten diese eigenwillige Songwriterpersönlichkeit in ihren Songs präsent ist und agiert.

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Friday, May 09, 2008

(Foto: Tina Karolina Stauner, 2008)

Nik Bärtsch's Ronin - Ampère, München, 16.04.08

Zen und Funk, kein Widerspruch

Nik Bärtsch bezeichnet seine Arbeit mit Ronin von Beginn an mit Zen-Funk. Und steht nach eigener Aussage nicht so sehr dem Jazz als der rituellen/sakralen Musik und der neuen Klassik nahe. Zen-Funk: Ein Paradoxon. Zen, das wäre die Stille. Funk, das ist Rhythmik von Grooves.
Bärtsch sagt die Stücke aus »Holon«, von ihm Module genannt, ironisch mit »Lieder aus unserer Heimat« an. Wohl eine Anspielung auf Japan, wo er Zeit verbrachte. Ronin ist die Bezeichnung für herrenlose Samurai Japans.
Man findet sich anfangs aus eher konventionellen Positionen, denen ich sonst nicht zuhöre, noch kaum zu einem wirkenden Ganzen zusammen. Noch ist mir nicht klar, ob mit nur oberflächlichen esoterischen Ebenen gespielt wird oder ob dieses energetische Feld aus Reduktivem, Repetetivem und Improvisation zu funktionieren beginnt, wie ich es von Ronin erwarte. Das auch dem philosophischen Begriff Zen gerecht wird und bei dem die Härte des Funk spürbar ist. Doch genau auf dieses Level bringen die Musiker das Konzert. Ronin sind Nik Bärtsch, piano & fender rhodes, Kaspar Rast, drums, Andi Pupato, percussion, Björn Meyer, bass, Sha, bass-,
contrabass clarinets. Was zuerst wie einfache, virtuose Technik und nur perfekte Phrasierung, wie ein Ineinanderfließen, Ineinanderdriften von Harmonien und Soli scheint, wird dann zu komplex arbeitenden Strukturen und Motiven, wird zum Greifen von Pattern bei Entstehen von konzentrierter Energie, der Minimal Music, der japanischen Ritualmusik nahe und bewußt werden die verzahnten Rhythmen des Funk mit eingesetzt. Der Gedanke des Gestylten nur manchmal eine Idee zu nah. In den Modulen öffnet sich regelrecht auch eine bestimmte Sphäre räumlicher Erfahrbarkeit, wenn man die Sensibilität dafür hat, in dem in sich sehr geschlossen wirkenden Set, bei dem das Lightdesign gezielt mit eingesetzt wird.
Mit Beginn der Zugabe, einem Modul aus dem Vorgängeralbum »Stoa«, kommt dann mehr metallische Kantigkeit ins Spiel und ich meine, daß eigentlich erst dadurch tatsächlich auch so etwas wie ein Moment tranceartiger Qualität freigesetzt werden kann. Doch bei den vorher eher klareren, ruhigeren »Holon«-Modulen war das wohl latenter, wirkten bestimmte Kerne unterschwellig auf feinere, subtilere Art.
Und da war dann auch die Musik-Businessfrau, der das Konzert durch die Zugaben zu lange dauerte, wegen des bestellten Tisches für danach. Warum so jemand, dem es offensichtlich nicht um den Effekt und die Tiefe der Musik geht, in einem Roninkonzert ist, weiß ich nicht. An dieser Stelle werfe ich jetzt eine Frage in Sachen Zen und Musikhören auf, indem ich aus »Methaphern (Wenn die Klänge die Klänge wären)« (2004) von Peter Ablinger zitiere, der wiederum ein Zitat eingebaut hat: "...Der Zen ist kein Ziel. Das Nichts ist kein Ziel. Sie sind Voraussetzungen für das was ist, das Leben. - »Es ist für den kultivierten Menschen schwer zu glauben, daß seine Art der Wahrnehmung von Musik in der Tat die niedrigste Stufe der Möglichkeiten darstellt, die der Musik innewohnen.« (Hatim el-Askari)...««

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