Wednesday, August 16, 2006

Kim Ki-Duk - "Hwal - Der Bogen" (2005, Südkorea) -
Münchner Filmkunstwochen 2006

Idyllen bestehen nicht. Wohl jede poetische Welt ist ein magischer Raum für sich, der zerstörbar ist von außen.
Eine kleine Geschichte. Kaum Handlung. Ein alter Mann hat ein Jahrzehnt lang ein Mädchen aufgezogen, erzogen, mit ihr auf einem Fischerboot lebend. Ein Ort des Buddhismus. Kontakt zur Außenwelt besteht nur durch Fischer, die sich gelegentlich zum Angeln auf dem Boot aufhalten. So stören sie die harmonische, wortlose und besondere Beziehung der beiden Bootsbewohner durch niveaulose, provozierende Wortwechsel und Belästigungen, so dringt aber auch die Wahrheit ein: Es ist an der Grenze zur Perversion, wie der Alte das Mädchen vom normalen Leben fernhält und die Hochzeit plant. Daß es eine wunderschöne, wertvolle Welt für sich ist, in der Traditionen noch Bestand haben und in der außergewöhnliche Fähigkeiten, wie die zum Orakel oder zu Folkmusik auf einem Bogen aufrechterhalten werden sollen, hat langfristig keine Chance in unserer Realität.
Ein grausamesSpiel in schönen Bildern und mit Gefühlen beginnt. Der Bogen, der mit einem Resonanzkörper daran befestigt, Musikinstrument ist, kann auch zum gefährlichen Bogenschießen benutzt werden. Zuneigung wird zu Abneigung, Liebe zu Haß und Brutalität entsteht neben Zärtlichkeit. Als ein intelligenter, sensibler junger Mann bei seinen Bootsaufenthalten das Mädchen in die ganz normale Realität unserer Zeit zu holen beginnt eskaliert die zwischenmenschliche Beziehungswelt, in der auch das Mädchen beginnt die Fäden zu ziehen in scheinbar unentrinnbaren Situation. Es kommt auf diesem engen Lebensraum zu Szenen der Gewalt und Selbstzerstörung bis an die Grenzen zum Tödlichen, genauso wie auch zunehmend zu Bildern purer Schönheit bis über die Grenzen zum Kitsch und rein Pathetischen. Fast widerwillig gerät man in den Sog von übertrieben farbig-schönen Filmsequenzen. Die man als bewußt gesetzte Gegenkraft dazu sehen kann, daß mit Worten und Bildern derzeit oft so umgegangen wird im Kulturbereich, daß man sich auch angewidert abwendet. Geht Ki-Duk zu weit, konfrontiert man sich damit, setzt sich seiner Darstellungswelt aus. Weil er perfekt damit umgehen kann.
Der Junge und das Mädchen sehen vom Beiboot aus das Fischerboot zum Schluß sinken. Damit verschwindet auch das auf die Außenwand nach südkoreanischer Tradition gemalte Buddhabild des buddhistischen Künstlers Jung Byung -Gook, das speziell in den Orakelszenen hinter dem Mädchen auf einer Schaukel als Zielscheibe wichtig war. Und vorher war es in der Filmhandlung wie als theatralische Floskel inszeniert noch einmal um Würde und Bindung gegangen, wie es der Alte gewünscht hatte.
Bleibt die Wirkung der Bilder-, Metaphern-, Gesten- und Symbolwelt Ki-Duks wie eine starke, poetische Insel in unserer Zeit. So ist es auch mit der Filmmusik "Fade Out" und "Soaring", die von dem südkoreanischen Geiger Kang Eun-il stammt und die auf traditionelle Volksmusik Koreas auf einer Fiedel gespielt, einer Haegum, hinweist.
(Foto: von rapideyemovie)