Tuesday, August 25, 2009



Doug McCombs, John McEntire, Tortoise
Fotos: Tina Karolina Stauner, 2009

Tortoise, Ampère, München, 20.08.09

Konzertimpressionen

Tortoise sind ein Puls. Konstant. Antreibend. Ein Doppelpuls. Denn eigentlich wie mit dem Strang einer Parallele im Inneren. Immer wieder doppelt eingesetzt die Instrumente. Die Slideshow an der Bühnenrückwand symmetrisch. Ein größeres Bild in der Mitte, zwei jeweils seitlich.
Tortoise, ein Klassiker. Sphärische Gitarren-Akkorde aus diversem Jazz, stark aus Fusion, leider einerseits - aber doch bestens funktionierend, auch mit jazzigen Marimbas, Leichtigkeit von Dub-Feeling, treibend Bass und Schlagzeug trockener Härte. Es ist collagen-, schichtartig, repetetiv Instrumentales. Seit den Anfängen Post-Rock genannt.
Tortoise sind freischwebend. Hat man in vergangenen Jahren verstärkt den Sound New Yorker Bands gehört, Neo-Postrock sozusagen,, Noise mit Strukturalismus, Minimalismus, mit dem sich leicht Düsternis, Abgrund assoziieren läßt. Namens Battles, Black Dice. So ist Tortoise aus Chicago verglichen damit souveräne Leichtigkeit, coole Helligkeit. Da Tortoise über ein halbes Jahrzehnt kein neues Instrumentalbum mehr veröffentlichten, hat man verstärkt New Yorker Bands gehört. Oder auch Wolf Eyes mit Bezug zu Michigan, Detroit, New York.
Tortoise beziehen sich im letzten Teil des Sets auf einmal wie explizit auf die härtere New Yorker Szene. Die Slides zeigen dabei leuchtendrote, wirre aber geometrische Architekturmetallverstrebungen. Das Ganze nur wie eine vorübergehende Andeutung. Bei den Zugaben aber greifen sie dieses Begonnene fast hardcoremässig nochmal ausgibig auf, wie man es von ihnen vorher kaum hörte. Tortoise können abgründige Tiefe und Härte haben, statt Fusion Free Jazz nahe sein. Doch sind bewusst hauptsächlich von einer betonten Leichtigkeit. Nicht wirklich Oberflächlichkeit. Aber frei von jedem Balast.
Tortoise zeigen Bilder. Slides mit Mustern, Porträts, Architektur und Natur. Viel Design. Und auch Kunst. So ist auch ihre Musik. Wie Design. Doch immer wieder auch Kunst.
Tortoise starten und beenden die Show mit Tracks aus ihrer neuen CD ”Beacons Of Ancestorship”. Und gehen während des Sets zwischen neuem Material in ihre Werkgeschichte.
Tortoise sind wie ein Flug. Man hat ein Ticket, steigt an einem Ort ein, an einem anderen Ort aus. Der Set im Ampère ist ein knapp Zweistundenflug.

www.trts.com

veröffentlicht: www.skug.at

Thursday, August 20, 2009

Bill Callahan “Sometimes I Wish We Were An Eagle”
(Drag City / Rough Trade)

Romantizismen sind Romantizismen sind Romantizismen - Callahan, aktuelle CD und Konzert am 09.08.09 im Ampère in München

“Sometimes I Wish We Were An Eagle” ist mit Streichern und Bläsern angereichert, die irgendwo mit der Welt konservativer Kammermusik in Berührung scheinen. Dem Songwriting, zwar mit einfacher Band aber der Extraklasse, ist wie eine Parallelwelt eine romantische Pseudo-Klassik hinzugefügt. Wie Bill Callahan, ehemals Smog, damit umgeht, kann faszinieren. Kann. Denn schon anfangs bei ”Jim Cain” ist das Ganze eine hohe Konzentration zu süßlich. Es ist immer Callahans markant-tiefe Stimme, wie klarer, harter Realismus, die alles doch nicht zu kitschlastig werden lässt. Und seiner poetischen Sprache überzeugende Griffigkeit gibt. Nach mehrmaligem Hören wünsche ich mir zunehmend die üppigen musikalischen Arrangements weg. Denn wirklich hochgradig Feinsinniges, wie “Rococo Zephyr”, ist umgeben von manch fast böser Überdosis Kunstsong. Mit Ausnahmen wie dem stark rhythmuslastigen “All Thoughts Are Prey To Some Beast”.
Schon immer gelingt Callahan einen mit Worten echt im Innern zu treffen. Die Seele. Oder so etwas. Das ist seine Stärke. Etwa mit “Too many Birds In One Tree”: “…If - If you - If you could - If you could only - If you could only stop - if you could only stop your - If you could only stop your heart - If you could only stop your heartbeat - If you could only stop your heartbeat for - If you could only stop your heartbeat for one heart - If you could only stop your heartbeat for one heartbeat.” Mehr als hübsche Wortspielerei, lässig-leicht umspielt von edler, sanfter Wehmütigkeit.
Im Konzert, Chello und Violine auch hier die Band ergänzend, bricht erfreulicherweise doch öfters forciert Rockrhythmus durch. Callahan dabei manchmal mit geradezu tänzelnder Leichtigkeit in der Anspannung. Und schließlich gegen Ende der Show bewusst rückgreifend werdend mit “Coldblooded Old Times”: “…how can I stand and laugh with the man who redefined your body…”. Sich das Wort “redefinieren” klarmachend recherchiert man im Internet Sätze wie: “Täuschung und Beeinflussung - Das "Redefinieren von Worten" und das "Wortklären" sind Methoden der Beeinflussung und der Täuschung sowohl von Anhängern, als auch der Öffentlichkeit. Täuschung durch Umdefinieren von Begriffen und damit durch schleichende Zerstörung von Wertvorstellungen, die der Alltagskommunikation ebenso zu Grunde liegen, wie der Sprache der Wissenschaft und des Rechts.“
Callahan, das ist die überzeugende Qualität von Lyrics und die Macht schöner Melodien. In welcher Bandbesetzung auch immer man ihn erlebt. Ich frage mich allerdings, warum er nicht beim Schnörkellosen, bei dem er vor einem Jahr war, geblieben ist. Wäre mir lieber. Denn Romantik und Verfall sind sich nicht ganz fremd.

veröffentlicht: www.satt.org