Thursday, September 07, 2006

"Landmarks of New York - Historische Architekturfotografie", Amerika Haus München

Ich weiß von New York bis in manches Detail. Am meisten von der Kunst- und Kulturszene, speziell der Musikszene. Natürlich von der Geschichte des Jazz . Tin Pan Alley, die Zeit des Swing, Bebop, Cool Jazz, Hard Bop, dann Free Jazz, Jazzcore und die derzeitige Avantgardeszene von Downtown Manhatten. Das ist auch mein Kosmos. Und am besten wäre ein Flugticket, mich mit Freunden und Bekannten in New York verabreden, Konzerte im The Stone und anderen Clubs besuchen und einfach ins kulturelle Leben der Stadt eintauchen.

Zwar habe ich auch aus der Distanz ein immer genauer werdendes Bild der New Yorker Szene. Doch das äußere Stadtbild, das ich mir bisher machte, blieb dabei zu oberflächlich. Einen repräsentativen Überblick und eine Analyse der architektonischen Entwicklung New Yorks und seiner Wahrzeichen, Gebäude, Innenräume, Parks, bietet die Ausstellung "Landmarks of New York" im Amerika Haus mit 81 Schwarzweißfotografien. Sachliche Architekturfotografie mit dokumentatorischem Charakter in klassischer Qualität. Völlig eliminiert bleibt dabei das Sozialleben der Stadt, Menschen sind auf den Bildern nicht zu sehen und der Fokus ist rein auf die Architektur gerichtet. Ruhig beginnt sich der Blick auf Details zu konzentrieren, analysiert Form, Stil, Material. Die chronologische Anordnung der Bilder beginnt mit Holzwohnhäusern aus dem 17. Jahrhundert, Brown House, 1661, Gebäuden im Renaissance Revival Style, City Hall, 1812, dem kleinen Reihenhaus Charlie Parker Residence, 1849, führt zum Bauen im Beaux-Arts Style, Public Library, 1911, zu danach entstehenden Wolkenkratzern beeinflußt von Gotik, Woolworth Building, 1915, oder dem Luxus von Art-Déco, Empire State Building, 1931, und Chrysler Building, 1938, mit seiner glänzenden Stahlspitze, und geht bis zum schnörkellos geometrischen International Style, Seagram Building, 1958, geplant von Mies van der Rohe und dem Guggenheim Museum, 1959, von Frank Loyd Wright.
Klar und präzise genau vermittelt wird die architektonische Entstehung New Yorks, dessen Umfang 1898 aus dem Zusammenschluß der 5 Stadtbezirke Bronx, Brooklyn, Manhatten, Queens und Staten Island entstand und das heute über 8 Millionen Einwohner hat. Die größte Dichte architektonisch bedeutender Bauwerke, die geschützte Objekte sind, ist auf der auf einer spitzen Felszunge liegenden Insel Manhatten, die East River, Hudson und Harlem River begrenzen. Mit prägend sind dort in der Baugeschichte die Elemente europäischer Kulturgeschichte. Und selbst bei der Brooklyn Bridge, 1883, weisen die Steinpfeiler gotische Merkmale auf. Neo-Renaissance und Neo-Gotik findet sich überall im Fassadenbild der Stadt. In Midtown ist die St. Patrick's Cathedral, 1879, in der Bauhöhe fast wie geduckt unter der der modernen Hochhäuser, rein gotisch nach dem Vorbild französcher Kathedralen erbaut. Die Gegensätze von Historismus und Moderne sind direkt nebeneinander und vereint besonders in Manhatten. Im Stadtteil der Wohlhabenden.
Die Bevölkerungsschichten teilen sich auf und leben in unterschiedlichen Vierteln. New York hat dementsprechend verschiedene Erscheinungsbilder, die die Ausstellung nicht alle zeigt. Diese stellt den von der Landmarks Preservation Commission bestimmten Teil des kulturellen Erbes der Stadt vor.

Jetzt, nach dem sehr gründlichen Einblick in die Architekturgeschichte New Yorks, verstehe ich die Trompetenmelodie von Don Cherrys Stück "Art Deco" aus dem gleichnamigen Album von 1988 wirklich. Das Nostalgische darin, das an Frankreichs Art-Déco und die Eleganz einer Form ohne eindeutig zugrundeliegendes Stilmerkmal mit Ursprung im Wiener Jugendstil erinnert. Stil, wie er auch im New Yorker Hochhausbau aufgegriffen worden war.

(Foto: Laura Napier)