Monday, December 15, 2008


Scott Fields
"Drawings"
(Creative Sources Recordings)

Der Chicagoer Gitarrist Scott Fields, in Köln lebend und mit diversen musikalischen Formationen wie z.B. dem James Choice Orchestra im experimentellen Improvisationsbereich arbeitend, hat mit »Drawings« eine Solo-CD veröffentlicht. Er spielte im Loft in Köln Miniaturen mit einer Gibson-E-Gitarre ein. Die 99 Kompositionen, keine länger als eine Minute, wirken wie Improvisationen, in denen Free-Jazz-Einsprengsel aufleben, einsame, schwermütige Bluesriffs angeschlagen werden, für Momente Heavy-Metal-Gitarrenattacken losbrechen, sich atmosphärisch-dröhnende Soundflächen einstellen, Garagenrocksound-Versatzsücke sich Raum verschaffen, Geräusch- und Tonexperimente eingebaut sind. In den kurzen Stücke nimmt sich Fields die Freiheit von Extemen, sich einerseits ruhig in eine sanfte Melodie einzufühlen und andererseits einem fahrig-heftig-harten Gestus von Rhythmus nachgehend. Wobei eine zutiefst lebendige, in sich stimmige Dynamik entsteht.
Auf dem Cover von »Drawings« sind die weißen Linien einer Grafik auf schwarzem Grund abgebildet. Die kurzen Tracks der CD haben auch den Charakter von freier, ungegenständlicher Zeichnung. An abstrakten Expressionismus erinnernd. Und im speziellen geht es um den in Basel lebenden deutschen Künstler Thomas Hornung, der Inspiration für die Kompositionen war. Er verbringt so manchen Abend in seinem kleinen Wohnatelier am Zeichentisch. Minutenzeichnungen herstellend mit Kreiden auf schwarzem DIN-A4-Papier. Dabei Wein trinkend, Musik hörend. Cellostücke von Dvorak etwa. Blätter von Hornung waren Vorlagen für Scott Fields Partitur.
www.scottfields.com

veröffentlicht: skug #77/1-3/2009
www.skug.at

Saturday, December 06, 2008

Elliott Sharp bei "processing 2" mit Go Guitars, Klanggalerie t-u-b-e, 18.11.08
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2008)

SIX - Jacques Demierre [Klavier], Dorothea Schürch [Stimme und Singende Säge], Urs Leimgruber [Saxofon], Charlotte Hug [Viola], Anne Gillot [Klarinette, Flöten], Thomas Lehn [Analog Synthesizer]
Klanggalerie t-u-b-e München, 13.11.09
(Foto: Tina Karolina Stauner)
"Speak Easy" - Thomas Lehn [Analog-Synthesizer], Ute Wassermann [Stimme], Phil Minton [Stimme], Klanggalerie t-u-b-e, 04.12.08
(Foto: Tina Karolina Stauner)

Monday, December 01, 2008

(Foto: Tina Karolina Stauner, 2008)

Brötzmann-Pliakas-Wertmüller, Unterfahrt, München, 07.11. 2008

Strukturalismus und New Jazz

Brötzmann-Pliakas-Wertmüller beginnen zu spielen und es ist erst einmal für einige lange Momente so, als würde die sofort druckvolle Rhythmusarbeit von Schlagzeug und Bass von der genauso kraftvoll einsetzenden Saxofonlinie absolut getrennt sein. Peter Brötzmann ist von der ersten Sekunde an geradezu brachial hochenergetisch und wie nur sich selber wahrnehmend seiner Melodie nachgehend. Schnell beginnt sich das Trio jedoch aufeinander einzustellen und perfekt als Einheit zu wirken. Marino Pliakas am E-Bass schafft Klangflächen aus dichten Strukturen und Pattern, mal Soundbasis im Hintergrund, mal sich intensiv in den Vordergrund drängend. Auch das Schlagzeug von Michael Wertmüller ist oft stereotyp-hämmernde Rhythmusstruktur. Steigert sich aber immer wieder zu überlauten, wilden, regelrecht gewalttätigen Trommeleruptionen. Bis in ein Extrem, das über die Schmerzgrenze geht. »Full Blast« – wie der CD-Titel sagt. Es kommt zu kurzen Songteilen, in denen die ungemeine Kraft der Band auf einmal an die nicht ersetzbaren Last Exit erinnert. Obwohl der Strukturalismus und die agressive Härte von Brötzmann-Pliakas-Wertmüller ganz anders arbeiten. Fast irritierend sind manch eingebaute Wechsel ins Gegenteil geradezu lyrischer, dabei fast in sich gebrochen scheinender Passagen. Brötzmann zeigt dabei ein Gespür für Zerbrechlichkeit. Latent bemerkbar ist immer ein Bewusstsein für die Harmolodics Ornette Colemans. Und ganz explizit fügt Brötzmann ein Melodiefragment aus Colemans »Lonely Woman« vom Ende der 50er Jahre ein, dessen Schönheit und Stärke auf einmal im Raum schwebt. Die beiden Schweizer Pliakas und Wertmüller, wesentlich jünger als Brötzmann, auch im Kontext Jazzcore, Grindcore, Postrock zu verstehen, sind ein geniales, Neues forcierendes Pendant zu den facettenreichen Saxofon- und Klarinetten-Klangkaskaden Brötzmanns, der sich so kontrolliert wie hysterisch, genauso zornig wie sinnlich geben kann, dabei immer rau und ungeschliffen und zutiefst eigensinnig und berstend lebendig. Legende des Free Jazz, aber ständig weiterforschend und aufregend.

veröffentlicht: www.skug.at