Tuesday, November 18, 2014



 "Peer Gynt" von Henrik Ibsen in der Inszenierung von David Bösch im Residenztheater München - Ist ja alles so schön bunt hier

Theatereffekt, Theatereffekt, Theatereffekt und turbulente Komik mitten im Wald.

Der Wald ist im Theater von  Martin Kušej als Bühnenbild offenbar sehr beliebt. Beim "Weibsteufel", einem Drama von Karl Schönherr aus dem Jahr 1914, mit Intendant Kušej selber als Regisseur ist der dunkle Wald noch ein perfekter Raum für eine perfekte Inszenierung. Der düstere Wald für Norwegens Trollwelt und Peer Gynts Egotripp ist für Henrik Ibsens "Peer Gynt" diesmal nur noch ein Raum, der für allerlei Schnickschnack Platz hat. Für ein Lichterkettenzelt, ein rotes, aufblasbares Plastikherz, ein Feuerwerk, einen funkelnden Sternenhimmel.  Shenja Lacher als Peer Gynt spiel sich dort taumelnd, aber höchst sicher, geschickt und versiert von Szene zu Szene und durch ein Stück, das durch und durch dem Mainstream gehört.  Ich bin in Peer Gynt gegangen, weil er so ziemlich die erste Bühnenfigur war, die mir als Jugendliche begegnete und ich jetzt einfach wieder einmal mit diesem Stoff konfrontiert sein wollte. Eine Schallplattenaufnahme der  Peer-Gynt-Suiten Edvard Griegs war es freilich, die ich damals anziehend fand. Ein Peer Gynt, der nun mit allerlei Popmusikstücken, Klimbim und bunten Requisiten als Egozentriker, ruheloser Geist und sogenannteer "Kaiser der Selbstsucht" durchs Schauspiel klamaukt, und zwar für den Theaterkommerz, das ist dann meine Sache nicht so sehr. Dem Stück wurde im Mittelteil von Bühnenbildner Falko Herold vorübergehend ausser dem Wald eine aufwendige Diaprojektion und eine Wüstenszenerie , Bebilderung eines Traums, verpasst und es bebildert von einer Art  Märchenszenerie zu Märchenszenerie in zwei Stunden die Geschichte des scheiternden Peer Gynt. Er, ein überbehütetes Muttersöhnchen, das der Realität zu entfliehen versucht unterwegs auf Abenteuern durch die ganze Welt. Dabei an Trolle und Dämonen geratend, Ingrid entführend und Solvejg liebend und verlassend und in die unmöglichsten Situationen geratend. Und zwar in der Inszenierung des End-20ers David Bösch voll und total unterhaltsam und sehr gekonnt beinahe für jeden etwas. Alt und arm vergleicht Peer Gynt seine Seele gegen Schluß schließlich mit einer Zwiebel , die lauter Hüllen hat, aber keinen Kern. Macht nichts. Ist ja alles so schön bunt hier.

Henrik Ibsen hatte "Peer Gynt"  innerhalb kurzer Zeit während einer Italienreise verfasst, doch freilich inspiriert duch Mythen und Märchen der Heimat und die Feenmärchen von Peter Christen Asbjørnsen. "Peer Gynt", eigentlich ein  dramatisches Gedicht aus dem Jahr 1867, ist als Kritik des romantischen Nationalismus zu verstehen. In der inszenierung von David Bösch ist  der Lebensweg eines Träumers und Spinners und Außenseiters für's Mainstreampublikum zu schriller, skurriler Unterhaltung geworden. "Peer Gynt" ist eigentlich eine Außenseitergeschichte, die den Blick auf ein aufgerissenes Inneres zeigen soll: "Mein Buch ist Poesie: und ist es keine, dann soll es Poesie werden. Der Begriff der Poesie wird sich schon dem Buche anpassen. Es gibt nichts stabiles in der Welt der Begriffe",  hatte Ibsen zum Erscheinen des Stücks postuliert. Und der Wiener Bernhard Moshammer, der für die Musik zur Inszenierung im Residenztheater verantwortlich ist, hat den Song "Boats and Birds" von Gregory And The Hawk mit im musikalischen Kontext. In den Lyriks von "Boats And Birds" heißt es: "...if you'll be my boat /I'll be your sea / a depth of pure blue just to probe curiosity /ebbing and flowing / and pushed by a breeze/ I live to make you free / I live to make you free ..." Je weiter Peer Gynt reist, desto unwirklicher werden jedenfalls die Situationen.  Schön, dass Solvej ihn dann doch noch retten kann.

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