Sunday, March 23, 2014

Foto: Klangforum Wien

Neues von den Komponisten Aureliano Cattaneo, Beat Furrer und Martin Smolka - Musik von durchaus ruhelosen Geistern


Uraufführungen von Musikstücken (entstanden im Jahr 2013) gab es bei der Musica Viva in München kürzlich zu entdecken. Neben den großen Namen im Konzertsaal in der Residenz  mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Eötvös, der eigene Weke und Komposition von Wolfgang Rihm und Helmut Lachenmann dirigierte, wurden im Februar 2014 in der Muffathalle auch kapriziöse Stücke  für kleinere Besetzung von Aureliano Cattaneo, Beat Furrer und Martin Smolka vorgestellt.

Ein Weile Zeitlosigkeit - Aureliano Cattaneo

Basierend auf der schon einige Jahre existierenden,  vorhergehenden Violinkonzert-Fassung für Orchester, schrieb Aureliano Cattaneo ein anders gefärbtes Violinkonzert für Instrumentalensemble, bei der der Part der Solovioline aber gleich blieb.  Insbesondere die Qualität vom Ensemble des Klangforum Wien brachte dieses höhenbetonte Violinstück zur Geltung. Dirigent war Beat Furrer und  Sophie Schafleitner agierte als Violin-Solistin. Besonders fein wirkte die Backingarbeit der Harfinistin Virginie Tarrête und vor allem auch die des Pianisten Florian Müller. Um solche musikalischen Spannungsfelder ging es dem Komponisten Cattaneo. Romantizismen und Egozentrismen  im Violinspiel von Schafleitner wirkten eher zeitlos als wirklich am Puls der Zeit. Was aber durchaus auch etwas an Reiz hatte. Es war Musik, die Einbildungskraft und Geheimnisvolles exponierte. Mit dem Violinkonzert von Cattaneos konnte man so etwas wie vorübergehend irgendwo ins Zeitlose driften, wenn man es wollte.  Cattaneos kann aber auch avantgardistisch entschlossen kantiger, wenn er will. Aureliano Cattaneo studierte in Mailand und hat neben seiner Arbeit am eigenen Werk nun eine Professur in Barcelona.

Maniristische Gratwanderung - Beat Furrer

Beat Furrer komponiert gern das sogenannt Zersplitterte in seiner eigenen musikalischen Arbeit. Warum er sich mit "Canti della tenebra" für die Vertonung von Gedichten von Dino Campana entschied, einem als  verrückt deklarierten Aussenseiter, einer tragischen Existenz, fragte ich mich. Und auch die von ihm gewählte Sängerin für die Aufführung des Stücks zeigte sich als ein höchst exzentrisches Geschöpf: eine norwegische Sopranistin, und bei anderer Gelegenheit auch Jazzsängerin, mit Namen Tora Augestad. Mit schwarzen Augenbrauen und Wimpern und blonem Langhaar stand sie im giftgrünen, schmalen Kleid auf der Bühne, sich in übersteigerten Manirismen schrill ergehend. Der Dichter Campana, der zur Zeit des Futurismus lebte und schrieb, führte mich aber mit seinem literarischen Material eher zum Denken an Symbolistisches als zu Futuristischem oder Expressionistischem, wie im Programmheft genannt. Ich dachte immer wieder an Porträts von Egon Schiele, schimmernde Farbmosaike von Gustav Klimt, merkwürdige Gemälde von Odilon Redon, aber Futuristisches kam mir nicht in den Sinn. Ich konnte es in Furrers Vertonung nicht finden, nicht in den Texten, nicht in der Komposition, nicht in der Interpretation des Klangforum Wien. Man könnte auch wieder einmal in die literarische Welt Georg Trakels gehen, meinte ich schließlich. Immer wieder in solche Vergangenheit der Kunstgeschichte geriete ich beim Zuhören. Auch Claude Debussy und Gustav Mahler waren diesem Musikstück von Furrer so fern nicht. Avantgardistisches jedenfalls geht eigentlich anders.  Doch ich mochte es durchaus, an Vergangenes erinnert zu werden. Eine Gratwanderung war Furrers "Canti della tenebra", die auf Vergangenheit genauso wie Gegenwärtiges verwies und eine immerhin höchst eigene Klangwelt für sich darstellte. Der Schaffhausener Dirigent und Komponist Beat Furrer ist Gründer und Leiter des Klangforum Wien und hat derzeit eine Professur in Graz und Frankfurt am Main.

Repetitiv,ziseliert und gebrochen - Martin Smolka

Ein sehr sprödes kleines Werk für Streichsextet betitelt mit "Rinzai and St. Francis  watch yellow autumn leaves floating down the river" komponierte der Prager Martin Smolka. Solisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks näherten sich dabei einerseits der Dynamik des Minimalismus von Steve Reich an, waren aber immer wieder andererseits in völlig versiegenden, zerbröselnden Klängen. Smolka mag bizarre Sounds. Entwickelte den "konkreten Sonorismus" mit Instrumentalklängen wie Alltagsklängen. Mag das Gebrochene, wenn es gleichzeitig höchst konstruiert klingt. Und er sagt: "Poesie hilft...". Mit dem Streichsextet verband Smolka das Bild von Abendsonne und den Worten: "autumn / yellow leaves / serene river floating through woods and meadows / here and there on the smooth surface - a leaf / two monks sit silently / watching water /yet Thoreau / could come" Anders als die Abendkonzerte von Aureliano Cattaneo und Beat Furrer wurde Martin Smolkas Musik bei einer Matinee präsentiert. Blendendes Tageslicht fiel dabei schräg durch Seitenfenster in den abgedunkelten Konzertraum und ließ das Ganze prosaisch wirken. Es war eher schwierig zuzuhören, doch hatte die eigenwillige Smolka-Komposition dafür eine recht nachhaltige Wirkung. Smolka wurde in Prag ausgebildet und unterricht jetzt in Brno zusätzlich zu seiner Komponistentätigkeit.

07.02.14 Muffathalle München
Aureliano Cattaneo
Violinkonzert, 2013
 Klangforum Wien
Beat Furrer
"Canti della tenebra", 2013
 Klangforum Wien
09.02.14 Muffathalle München
Martin Smolka
 "Rinzai and St. Francis  watch yellow autumn leaves floating down the river" , 2013
Solisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

www.martinsmolka.com
www.aurelianocattaneo.com
www.klangforum.at

veröffentlicht: www.kultura-extra.de