Monday, September 12, 2011


"Noisy Love Songs" Okkyung Lee (Tzadik/Sunny Moon, 2011)
Pastellartig-klangliche düstere Kontemplation

"Nach dem Regen fällt ein Tropfen - Grün!"

"Noisy Love Songs" als Teil der New Yorker Avantgarde tendiert stärker zum Ruralen, zum Vergangenen als zum Urbanen, Zukünftigen. Die Gegenwart ist dabei als eine Atmosphäre erlebbar, die sich der Langsamkeit, Introspektion, Introvertiertheit mehr annähert als dem Hektischen, Extrovertierten, Exzentrischen. Nicht aus avantgardeistischer Perspektive sondern der der Romantik muß man die Songs vielleicht noisy nennen. Es herrschenen vor Filigranes, Feinheiten, Gedämpftes, nicht Grobes, Hartes, Lautes. Es geht hier um Sanftes aus heutiger Großstadtsicht. In Farben wären diese Klänge möglicherweise Schattierungen in Weiß- und Gelbtönen. Darauf spielen auch Adjektivfragmente der Songbezeichnungen an. Die Stücke klingen aber auch manchmal düster und dunkel. Den Kompositionen ist verhalten experimentierend Improvisierendes hinzugefügt.
Okkyung Lee ist eine 1975 in Korea geborene, in Amerika klassisch ausgebildete Komponistin und Cellistin. Doch sie ist schon seit einem Jahrzehnt in der New Yorker Avantgarde des Jazz und Free Jazz heimisch. Spielte mit in der Szene anerkannten, namhaften Musikern/Musikerinnen wie z.B. Derek Bailey, Carla Bozulich, Nels Cline, Anthony Coleman, Laurie Anderson, Fred Frith, Thurston Moore, Jim O'Rourke, Evan Parker, Zeena Parkins, John Zorn. Auf "Noisy Love Songs" sind folgende Mitmusiker zu finden: Cornelius Dufallo (Violine), Christopher Tordini (Bass), Satoshi Takeishi, Ikue Mori, John Hollenbeck (Percussion, Electronics), Peter Evans (Trumpete), Craig Taborn (Piano).
Der Grundstimmung und den Bewegungen der Musik von "Noisy Love Songs" sind asiatische Sport- und Meditationsübungen mit ihren eigenen rhythmischen und inhaltlichen Gesetzen in Zeit und Handlung durchaus verwandt. Ein Song heißt auch "Kung".
Andere Songs der CD lehnen sich an an Worte wie Nacht, Regen, Baum, Karussell, Fluss, Stahl, Stille, Körper. Sprechen die körperliche Sinnlichkeit mehr an als das mental Aanalysierende. Weitere Worte wie Morgen, Antwort können vielleicht evozieren, dass es wert ist den Morgen zu verbringen abseits der Mühlen eines effekthascherisch grell-bunten Weltgetriebes. Mit Abwarten, Tee trinken, Musik und Literatur. Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen. Bestens zu dieser Aussage passt "Noisy Love Songs". Musik für Menschen, die nicht den Lärm der Welt herausfordern wollen sondern einen asiatisch-amerikanischen Klangraum der Zurückgezogenheit. Dabei aber jederzeit bis über die Grenzen zum Atonalen gehen. Alles kann dabei Selbstgegenstand des Absoluten sein, alles Seiende kann in sich gespiegelt sein. Musik die durchaus auch Zen-Gedichten entspricht. Musik, bei der man feine Unterscheidungen wahrnehmen können muß wie bei dem Spektrum asiatischer Tees.

Sollte ich der CD Text hinzufügen wollen, dann denke ich an den Zen-Literaturkontext.
"...Am frühen Morgen / Höre ich / den Gesang / Der Fischer / Auf dem Izumi-Fluß" (Otomo no Yakamochi)
"Frühlingsregen! / Reden und gehen / Zusammen mit Regenmantel und Regenschirm" (Buson)
Okkyung Lee hingegen hat ein Zitat aus Samuel Becketts 1946 geschriebender Kurzgeschichte "First Love" verwendet.

Buddhismus und Zen wurde in Korea im 9. Jh. durch den Mönch Toui eingeführt. Der chinesischen Tradition der Tang-Zeit folgend errichteten weitere Gründermönche Tempel in den Bergen Koreas, weshalb ihre Schulen „Berg-Schulen“ genannt wurden.

Okkung Lee Blog
Okkyung Lee-Filme von Andrew Lambert
Zen und Buddhismus in Korea
Teegeschichte

veröffentlicht: www.skug.at www.culturmag.de