Thursday, December 18, 2014

Pure Data
Fotocollage: Tina Karolina Stauner


Pure Data, experimentelle Musik und Improvisation - Beobachtungsanalytisches zur Herbstausgabe der Echtzeithalle unter Leitung von Wolf-Dieter Trüstedt am  25.10.,15.11. und 06.12.14 in München

Improvisation und experimentelle Musik ist Fokus und Interessengebiet der Events der Echtzeithalle. Wie bei der aktuellen Herbstausgabe. Die musikalische Arbeit mit Pure Data, also Musik mit dem Laptop, dem Computer, nimmt viel Raum ein auch in Kombination mit Klang herkömmlicher Musikinstrumente. Das Carl Orff Auditorium der Musikhochschule in München war an drei SamstagenTreffpunkt für einen Zirkel Musikspezialisten, Wissenschaftler, Bild-und Bühnenkünstler und Besucher, die den Kontext Echtzeithalle und auch die Herbstausgabe und deren Diskurs definieren. Mit Visuals und Musik, die sich mit dem gesamten Spektrum von Tradition, Moderne, Avantgarde, Post-Postmoderne und zweite Moderne in Theorie und Ästhetik auseinandersetzen, um theoretisch die Bandbreite zu skizzieren. Vom Klang eines Flügels, der irgendwo zwischen avantgardistisch und romantizistisch angesiedelt ist,  bis zu Tonkonstrukten , die durch technische Schaltugen am Computer in Verbindung mit wissenschaftlichen Konzepten  konstruiert werden, ist Vielerlei einsetzbar und präzisierbar. Forschungsergebnisse, neue Theorien und Musikstücke vom relativ gewohnt Klassischen bis zum puren Experimentellen werden vorgestellt. Neue Musik, die sich aus experimenteller und improvisatorischer Praxis zusammensetzt und Jazz, Free Jazz, Noise und Sound Design in Relation zu Clicks & Cuts der populären elektronischen Musik nicht ausklammert. Manches wird benannt, anderes intuitiv erfasst. Musiker, ob von einem Orchesterkorpus oder individualistische Einzelgänger, ob mit akustischen oder elektronischen Instrumenten, gestalten das Programm, das seit vielen Jahren von Wolf-Dieter Trüstedt, Wissenschaftler und Musiker, organisiert wird.

Elektronische Musik, Clicks & Cuts und Glitch

Das praktische Notebook mit ausgewählter Software ist seit über zwei Jahrzehnten zunehmend Basis um Musik in Verbindung mit allen möglichen Klängen und Geräuschen zu generieren und kreieren. Was eine Art Revolutionierung des Musikproduktinsprozesses war, ist längst als Clicks & Cuts in der Musik ein Genre, das zur vertrauten Musikerpraxis und Hörgewohnheit geworden ist speziell auch im Popdiskurs, der in entscheidenden  Momenten dem Niveau der Hochkultur nicht nachsteht. Theoretisierend benennen kann man Differenzproduktion und dynamische Verschiebungen und Verschachtelungen. Es geht dabei um nonlineares Komponieren und einen Begriff wie Echtzeit-Multitasking . Das betrifft die herstellbaren Cuts mit Sequenzerprogrammen. Und die Clicks in einem Dazwischen sich referenzlos vervielfältigen könnend. Als Subgenre von Clicks & Cuts definiert Glitch zufällige Klangereignisse oder auch Klänge, die beispielsweise von Algorythmen kommen, die programmiert werden. Glitch bedeutet in Schaltkreisen eigentlich Fehler und kann in der Musik ästhetisches Ereigniss sein. Auch musikfremde Daten haben Zugang. "Diese Begriffe sind nicht direkt in die Neue Musik übertragbar", sagt Wolf-Dieter Trüstedt.

Pure Data, synthetische Klänge und Neue Musik

Neuartige Verbindungen und  Traditionsbrüche sind seit etwa  1910  Teil der Neuen Musik, 12-Ton-Musik ist mittlerweile ein alter und relativ bekannter Begriff. Längst arbeitet man in allen möglichen Neo-oder Post-Stilen, aufgehobenen Genregrenzen und im Crossover. Das gehört zum Bewußtsein der Kunst und Kultur der Echtzeithalle und deren Partizipienten. Der Hauptinitiator Wolf-Dieter Trüstedt  definiert die musikalische Arbeit mit dem Laptop als Künstler und sagt: " Wir stellen alle Programme selbst her und verwenden Begriffe aus dem Bereich Kunst und Wissenschaft oder Musik und Naturwissenschaft.  Neue Begriffe dafür müssen erst gefunden werden und können sein: Sound Design, Klang- und Musik-Formungen, synthetische Klänge, mathematisch-musikalische Spielwerke, explorative Musik...- Pure Data ist vergleichbar mit der konkreten und konzeptuellen Kunst. Verwendet werden mathematische Formeln, Prozesse aus der Physik oder Psychoakustik  z.B. die Formanten." Spannend ist die Kombination mit ur-historischen akustischen Musikinstrumenten wie Bassrohr, Schilfflöte, Monochord. Trüstedt nennt hinsichtlich seiner Live-Elektronik-Performences mit Computer in der Musik eine Verwandtschaft zu Stücken von Iannis Xenakis, John Cage, György Ligeti, Charles Ives, Terry Riley usw.

Helmholtz-Ensemble und EMU-Ensemble

Trüstedt befasst sich schwerpunktmäßig mit Musik, die am Loptop entsteht. Kurz umschrieben und bezeichnet mit Pure Data in seinen Musikprojekten Helmhotz-Ensemble in München. In Ulm gibt es das benachbarte EMU-Ensemble, das sich immer wieder bei den Echtzeithalle-Events mit einklinkt und im künstlerischen und wissenschaftlichen Kontext zu finden ist. Diese zwei Projekte waren auch wichtiger Teil der diesjährigen Herbstausgabe und deren umfangreichem Programm, bei dem unterschiedlichste Formationen und Solo-Projekte partizipierten.

Das Helmholtz-Ensemble, nach dem Wissenschaftler Hermann von Helmholtz benannt, den Zusammenhänge in Disziplinen wie Physik, Psychologie und Ästhetik interessierten und der sich mit einer Vielzahl an Forschungen auseinandersetzte, so z.B. auch im Bereich Sinnesorgane und Nervenfasern oder auch Klangfarben und Obertöne und Resonanztheorie. Beim Helmholtz-Ensemble hat die Performance "Fünf Lichtungen" eine Partitur als orientierende Basis, die in echten und notierten Schaltungen geschrieben ist. Neben den technischen Schaltungen existieren beschreibende Satzfragmete wie z.B ."mit gehaltenem Drachen".  Die sechs Spieler mit Hauptinitiator Trüstedt boten mit ihren Laptop-Instrumenten eine Klangwelt, die über dem Floating diverser Noise- und Tontracks zeitweilig eine betont percussionartige Rhythmuslinie in den Vordergrund brachte. Das Charakteristische des hergestellten Klangraums war  sein ziemliches Maß an Unbestimmtheit.

Die EMU - Experimentelle Musik Universität Ulm mit Laptop-Spielern und Musikern brachte Laptop-generierter  Musik in Verbindung mit Musikinstrumenten wie selbstentworfenem Bassrohr und Schlagwerk auf die Bühne. Die Bassrohrspielerin wanderte während des Musikacts  durch den Raum. Bei der Aufführung mit den drei Parts "ZeitNaht - Unterfaden", "ZeitNaht" und "Orion" hatte
über Laptopgesteuerten Noise-und Tontracks der Klang des Bassrohrs eigenen Raum und hinzukommend Gesangsstimmliches. Ein Schlagwerk machte sich im Lauf der Zeit bemerkbar und klinkte sich wieder aus und zusätzlich intergrierte Sprachlinien. Verrätseltes bis Galaktisches mäandert durch Schichten des Soundscape des Stücks und gab Impressionen vor.

Pure Data verzweigt und verflechtet sich kontinuierlich im Musikbereich und setzt sich in diversen Formationen mehr oder weniger bestimmend oder mitbestimmend durch. Diskutiert werden können Begrifflichkeiten wie einerseits Fluidität, andererseits Klangbildhauerei und Diskurs gehört natürlich immer wieder auch zu den Echtzeithalle-Projekten.

www.echtzeithalle.de