Friday, January 12, 2007

11.01.07 "Festival Dances": "Sheer Bravado" von Richard Alston, "Sacred Space" von Philip Taylor, "If To Leave Is To Remember" von Carolyn Carlson - Staatstheater Gärtnerplatz, München

"Sheer Bravado", Klavierkonzert Nr. 1 in c-Moll, op. 35 für Klavier, Trompete und Streicher von Dimitri Schostakowitsch, Choreographie: Richard Alston, Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz, Bühne und Kostüme: Claudia Doderer.
Der Grundcharakter dieser Aufführung bleibt wie eine Kindheitserinnerung in einer anscheinend heilen Welt. Der Komponist Schostakowitsch (1906 - 75) hingegen wurde zu Lebzeiten in Rußland wegen seines Modernismus angegriffen und in die Einsamkeit getrieben. In der sich im Münchner Ballett entfaltenden oberflächlichen Eleganz und Virtuosität war davon weder in der musikalische Interpretation noch in der Choreografie etwas zu ahnen.

"Sacred Space" von Arvo Pärt, Choreographie: Philip Taylor, Musikalische Interpretation: Andreas Kowalewitz, Bühne und Kostüme: Claudia Doderer.
In dem Stück des 1935 in Estland geborenen Komponisten Arvo Pärt finden sich traditionell religiöse Momente und für damals avantgardistische Stilmittel vereint. Das Orchester in diesem anderen Teil des Abends nun auf einmal auch wie auf einer anderen und absolut zeitgemäßen Ebene sogar beinahe Visionäres mit einblendend. Dies kann in der Zusammenarbeit mit Philip Taylor offenbar entstehen. Die Choreografie wie ein düsterer Wachtraum, der zeigt, daß in der Ästhetik des Tanzes, im Artifiziellen, Abstrakten oder Konkreten von Bewegung, Form, Farbe, Licht und Musik der Zustand dieser Welt aufblitzen, aufscheinen, auftauchen kann ohne daß mit Worten etwas kommentiert oder erklärt werden muß. Den Tanzfiguren immanent Synonyme für erschreckende Aspekte der Dynamik des Lebens. Aber auch das Wissen, daß es eine spirituelle Kraft gibt.

"If To Leave Is To Remember" oder "Mishima" für Streichquartett und Streicher von Philip Glass, Choreographie: Carolyn Carlson, Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz, Bühne und Kostüme: Claudia Doderer.
Tanz wie verstehbare Handlung einer Geschichte. Und psychische Zustände visualisiert. Wobei die harten, grausamen, kalten Aspekte des Lebens bloß gelegt werden. In die minimalistischen Strukturen des Stücks sind auffallend Pausen sowie in die Körperbewegungen Zeitlupen eingefügt. Und in die Bewegung und die Musik hinein wird am Ende des Stücks ein Gedicht vorgetragen.
Die Komposition des 1937 geborenen amerikanischen Minimalmusikers Philip Glass ist Teil aus "Mishima", der Musik für den Film von Paul Schrader, der sich mit dem Leben des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima (1925 - 70) befaßt. Mishima starb durch Seppuku, einer ritualisierten Art der männlichen Selbsttötung.

Ich würde gern das Bildmaterial des Tanzes in die Wirklichkeit schneiden. Als Cut-ups. Die Ästhetik der reinen Bewegung. Als Bereiche, in denen mit anderen Mitteln als mit Worten mitgeteilt wird. - Der Ballettabend endete damit, daß er sich geradezu in Text auflöste. Im Programmheft finden sich die Gedichtzeilen von Shami Mansei: "This world of ours / To what shall I compare it? / To the white wake of a boat / that rows away in the early dawn." Diese Worte sehe ich als Bild. Medienkunstwelt...
Nach der Simulationstheorie von Jean Baudrillard sind die Bilder der Medien mächtiger und wirklicher geworden als die Wirklichkeit selbst.
Demzufolge, denke ich, bleiben uns nur noch Entscheidungen in der Wahl der Bilder.

- und genaueres zum Werk der Komponisten:
www.philipglass.com