Monday, December 01, 2008
(Foto: Tina Karolina Stauner, 2008)
Brötzmann-Pliakas-Wertmüller, Unterfahrt, München, 07.11. 2008
Strukturalismus und New Jazz
Brötzmann-Pliakas-Wertmüller beginnen zu spielen und es ist erst einmal für einige lange Momente so, als würde die sofort druckvolle Rhythmusarbeit von Schlagzeug und Bass von der genauso kraftvoll einsetzenden Saxofonlinie absolut getrennt sein. Peter Brötzmann ist von der ersten Sekunde an geradezu brachial hochenergetisch und wie nur sich selber wahrnehmend seiner Melodie nachgehend. Schnell beginnt sich das Trio jedoch aufeinander einzustellen und perfekt als Einheit zu wirken. Marino Pliakas am E-Bass schafft Klangflächen aus dichten Strukturen und Pattern, mal Soundbasis im Hintergrund, mal sich intensiv in den Vordergrund drängend. Auch das Schlagzeug von Michael Wertmüller ist oft stereotyp-hämmernde Rhythmusstruktur. Steigert sich aber immer wieder zu überlauten, wilden, regelrecht gewalttätigen Trommeleruptionen. Bis in ein Extrem, das über die Schmerzgrenze geht. »Full Blast« – wie der CD-Titel sagt. Es kommt zu kurzen Songteilen, in denen die ungemeine Kraft der Band auf einmal an die nicht ersetzbaren Last Exit erinnert. Obwohl der Strukturalismus und die agressive Härte von Brötzmann-Pliakas-Wertmüller ganz anders arbeiten. Fast irritierend sind manch eingebaute Wechsel ins Gegenteil geradezu lyrischer, dabei fast in sich gebrochen scheinender Passagen. Brötzmann zeigt dabei ein Gespür für Zerbrechlichkeit. Latent bemerkbar ist immer ein Bewusstsein für die Harmolodics Ornette Colemans. Und ganz explizit fügt Brötzmann ein Melodiefragment aus Colemans »Lonely Woman« vom Ende der 50er Jahre ein, dessen Schönheit und Stärke auf einmal im Raum schwebt. Die beiden Schweizer Pliakas und Wertmüller, wesentlich jünger als Brötzmann, auch im Kontext Jazzcore, Grindcore, Postrock zu verstehen, sind ein geniales, Neues forcierendes Pendant zu den facettenreichen Saxofon- und Klarinetten-Klangkaskaden Brötzmanns, der sich so kontrolliert wie hysterisch, genauso zornig wie sinnlich geben kann, dabei immer rau und ungeschliffen und zutiefst eigensinnig und berstend lebendig. Legende des Free Jazz, aber ständig weiterforschend und aufregend.
veröffentlicht: www.skug.at
Brötzmann-Pliakas-Wertmüller, Unterfahrt, München, 07.11. 2008
Strukturalismus und New Jazz
Brötzmann-Pliakas-Wertmüller beginnen zu spielen und es ist erst einmal für einige lange Momente so, als würde die sofort druckvolle Rhythmusarbeit von Schlagzeug und Bass von der genauso kraftvoll einsetzenden Saxofonlinie absolut getrennt sein. Peter Brötzmann ist von der ersten Sekunde an geradezu brachial hochenergetisch und wie nur sich selber wahrnehmend seiner Melodie nachgehend. Schnell beginnt sich das Trio jedoch aufeinander einzustellen und perfekt als Einheit zu wirken. Marino Pliakas am E-Bass schafft Klangflächen aus dichten Strukturen und Pattern, mal Soundbasis im Hintergrund, mal sich intensiv in den Vordergrund drängend. Auch das Schlagzeug von Michael Wertmüller ist oft stereotyp-hämmernde Rhythmusstruktur. Steigert sich aber immer wieder zu überlauten, wilden, regelrecht gewalttätigen Trommeleruptionen. Bis in ein Extrem, das über die Schmerzgrenze geht. »Full Blast« – wie der CD-Titel sagt. Es kommt zu kurzen Songteilen, in denen die ungemeine Kraft der Band auf einmal an die nicht ersetzbaren Last Exit erinnert. Obwohl der Strukturalismus und die agressive Härte von Brötzmann-Pliakas-Wertmüller ganz anders arbeiten. Fast irritierend sind manch eingebaute Wechsel ins Gegenteil geradezu lyrischer, dabei fast in sich gebrochen scheinender Passagen. Brötzmann zeigt dabei ein Gespür für Zerbrechlichkeit. Latent bemerkbar ist immer ein Bewusstsein für die Harmolodics Ornette Colemans. Und ganz explizit fügt Brötzmann ein Melodiefragment aus Colemans »Lonely Woman« vom Ende der 50er Jahre ein, dessen Schönheit und Stärke auf einmal im Raum schwebt. Die beiden Schweizer Pliakas und Wertmüller, wesentlich jünger als Brötzmann, auch im Kontext Jazzcore, Grindcore, Postrock zu verstehen, sind ein geniales, Neues forcierendes Pendant zu den facettenreichen Saxofon- und Klarinetten-Klangkaskaden Brötzmanns, der sich so kontrolliert wie hysterisch, genauso zornig wie sinnlich geben kann, dabei immer rau und ungeschliffen und zutiefst eigensinnig und berstend lebendig. Legende des Free Jazz, aber ständig weiterforschend und aufregend.
veröffentlicht: www.skug.at