Tuesday, July 22, 2008

"Dichter Nebel"/"Dawu", Regie: Han Tao, Hongkong, 2007, 110 Min.

Der Veranstalter kündigt beim Filmfest "Dichter Nebel" als einen radikalen Film an. Was sich aber nicht sofort offenbart.
Zwar liegt von Beginn an über allem eine bedrückende Stimmung, die zunehmend bleiern lastet. Doch die Handlung bleibt unspektakulär. Kameraeinstellungen mit Betonung auf Licht und Raum. Langer Fokus auf Zimmer mit Bett und Tisch in diffusem Stehlampenlicht, oft auch flackerndes Bildschirmlicht. Buchhandlung mit der Atmosphäre hermetischer Abgeschlossenheit. Indifferente Beleuchtung in riesiger Fabrikhalle, durch deren weit im Hintergrund entfernte Tore man in der Ferne gleißendes Licht ahnt. Dunkelheit und kleine, entfachte Feuer verlöschen gleich wieder. Und ständige Beobachtung menschlicher Körper: Am Tisch sitzend trinkend und rauchend. Auf dem Bett liegend. Vor dem Bücherregal stehend. Harte einfache Arbeit verrichtend. Eine Rede haltend. Ein Kleidungsstück anprobierend. Duschend im Gemeinschaftswaschraum. Beim Sex auf einer am Boden liegenden Matratze. Der direkte, rohe Blick auf ungeschönte Körper in Alltagssituationen. Han Tao, der Regiseur, ist auch bildender Künstler. Ruhig die Kamera gerichtet auf Szenen, die dann fast spröden Realismus in der Malerei evozieren. Dabei kaum je mehr als lapidar lieblose Gespräche.
Spürbar wird mehr und mehr, dass keiner eine Sphäre von Freiheit erreichen kann. Geistiges, Spirituelles, Emotionales wirkt wie abgewürgt. Chancenlos. Oder gar nicht vorhanden. "In 2006, during the organization of the art exhibit "Breathing" in Shangdong, I finished the script of "Big Fog"", informiert Han Tao. Im Film wird so etwas wie langsam der Atem abgeschnürt.
Wozu es gut sein kann, daß es Literatur gibt, steht in Frage. Klar ist, dass zensiert wird. Schließlich liegt ein Mann auf einem Badezimmerboden wie ein verendendes Stück Vieh. Er hatte vorher noch so etwas wie einen Weinkrampf. Suizid. In dieser Schlussphase wird dem radikalen Realismus auf einmal Grenzen gesetzt. Der Film bekommt ansatzweise experimentelle Züge. Es fallen Schüsse und es gibt wohl Tote. Bruchstücke von Bildern momentweise eingeblendet in andere, bestehende Handlungen. Bildfetzen im Kontrast zu totalen Ausblendungen. Tode, die man nicht mehr sieht. Körperliche, geistige und psychische Tode. Die Synchronisation von Ton und Bild stimmt nicht mehr immer überein. Unerträgliches wie auseinandergerissen. Da waren drei Geschichten. Ineinandergeschnitten. Die von dem Arbeiter, der Selbstmord beging. Die von dem Intellektuellen, der sich ins innere Exil begab. Die von dem Studentenprotest, der blutig endete.

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