Thursday, July 28, 2011

“Realism is nothing more and nothing less than the truthful treatment of material.” (William Dean Howells)


Breece D'J Pancake - "Stories" (weissbooks)

Hinterwäldlerweisheit statt Weltgewandtheit

Realismus - Amerikanischer Realismus

Realismus ist schon immer eine Geisteshaltung. Ob im 19. Jahrhundert in der Literatur, ob in der Neuen Sachlichkeit der Malerei des 20. Jahrhundert oder heute hier wie dort. Auch Realismus existiert noch in der Postmoderne. Realismus ist einfach betrachtet für alle und jeden das Fassbare, Objektive. Aber Realismus ist weit mehr.
Der amerikanische Realismus des Autors Breece D'J Pancake ist erst einmal einordenbar in klassische amerikanische Story. Exakter Realismus und keine weiteren Ismen. Aufmerksamer betrachtet: Präziserer Realismus lässt sich kaum schreiben. Bei der Annäherung an Pancake lässt sich zudem begreifen, dass es Abstufungen im Realismus gibt. Und dass Pancake sehr weit gegangen ist. So weit, dass er es offenbar nur ertrug ein Werk vom Umfang eines schmalen Buchs zu schaffen.
Scheint beispielsweise des öfteren Automatismus risikobeladen für einen Autor und Künstler gewesen zu sein, so sollte man vielleicht sagen: Sei vorsichtig mit dem Realismus. Mit realistischen Sichtweisen und darin verschieden mögliche zu kombinieren. Eine Vielzahl realistischer Positionen kann wissenschaftlich erörtert und diskutiert werden.

Hillbilly

"Almost heaven, West Virginia / Blue Ridge Mountains, Shenandoah River / Life is old there, older than the trees / Younger than the mountains growin' like a breeze..." (John Denver, Sommer 1974).
Breece D'J Pancake lebte von 1952 an in West Virginia. 1979 nahm er sich mit 27 Jahren das Leben. Nachdem er 12 Geschichten geschrieben hatte.
Mit Namen Breece Dexter Pancake in Milton geboren studierte er in Buckhannon und Hundington, unterrichtete Englisch und besuchte Schreibkurse. Als Hillbilly distanzierte er sich gerne von anderen. Pancake schätzte den Singer-Songwriter Phil Ochs, der sich als singender Journalist bezeichnete mit topical songs und der das Umfeld von z.B. Joan Baez, Pete Seeger und Bob Dylan und auch die Metropole New York frequentierte. Der Begriff Hillbilly gilt nicht nur in der Musik. Vielleicht kann man Pancakes Literatur old time literature nennen. Bewußt der Country- and Folk-Music, der Mountain Music nicht abgewandt. Das Getümmel von New York schien Pancake nicht anzuziehen. Er blieb in West Virginia, auch The Mountain State genannt. Einer der ärmsten Staaten Amerikas. Seine ersten Geschichten veröffentlichte Pancake in The Atlantic Monthly. Erst vier Jahre nach seinem Tod erschienen seine Stories als Buch. Und wurden nun bei weissbooks erstveröffentlicht in deutscher Übersetzung von Katharina Böhmer.

Breece D'J Pancakes Kulturkosmos

Pancakes literarische Welt war der raue, harte Alltag von Arbeiter-, Bergleuteexistenzen in der Provinz. Oder Hilfsarbeitern, die beruflich lieber unterwegs waren als in einer Heimat. Nicht der "american dream" war Pancakes Thema, sondern die Welt des einfachen Mannes. Nennt Jayne Anne Phillips die Stories von Pancake die amerikanischen "Dubliners"( James Joyce), so hat sie was die Qualität angeht sicherlich recht. Und Pancake hätte auch ein umfangreicheres, großartiges Werk vorlegen können. Aber er wäre vermutlich in eine andere Sphäre als die des Joyceschen "Ulysses" vorgedrungen. Er war zu sehr, zu tief Realist. In völlig frei fließende Assoziationen wäre Pancake wahrscheinlich literarisch nicht gegangen.

Pancake schrieb über ein pures aber eher grobes Leben ohne das dekadent Verfeinerte einer Großstadt. Ohne sophisticated Kosmopolitismus mit einzubeziehen. Das unterschied ihn von jemandem wie Ernest Hemingway. Auch wenn er diesem nicht ganz fern war. Pancake stand einem wie William Faulkner näher. Auch Faulkner schrieb über Provinzler. Aber Pancake war purerer Realismus als Faulkner. Faulkner hatte eine zusätzlich reflektierende Ebene, die Pancake wegließ. Pancake war direkter, noch schnörkelloser. Ländliches, Menschen, Dialoge. Das genügte für einen reduzierten aber perfekten, exzellenten, schonungslosen Realismus.
Wieder einmal vielleicht bei amerikanischem Realismus den Maler Edward Hopper erwähnen. American Scene. Als Anhaltspunkt, Hinweis. Hopper war analytischer, klarer Realismus. Wie ihn Pancake in der Sprache anlegte. Pankake ging nur im Härtegrad weiter. Pancake war spröder, aber wohl auch noch einfühlsamer. Wie mit einer Lupe betrachtete er alles und gab dann seine Beobachtungen in seiner Literatur weiter.

Abenteuer der Wirklichkeit

Die Frage nach der Realität stellte auch kürzlich die Münchner Hypo-Kunsthalle mit der Ausstellung "Das Abenteuer der Wirklichkeit". Die Moderne spricht vom Zweifel an der Darstellbarkeit der Realität. Davon, dass Objektivität zum Paradoxon wird. Realismus ist ein komplexes Phänomen. Realität ist Konstruktion. (Läßt sich den Informationen zur Ausstellung entnehmen.) Ausgesprochen detailliert und genau jedenfalls ist Pancake in die literarische Darstellung von Realität gegangen. Und ab einem bestimmen Maß an Genauigkeit der Realität ist das für einen Künstler vielleicht schwer ertragbar. Warum brachte ein Talent wie Pancake sich um? Vielleicht sah er zu präzise?



Abenteuer des Schreibens

In den Geschichten von Pancake immer wieder auftauchend dominierende Männer und deren Grausamkeit. Gegenüber der Welt der Frauen. Und überhaupt. So war das damals in der Provinz. Wohl nicht nur damals und dort. "...Er fühlte sich leer vom vielen Reden mit ihr und wollte nicht da sein, wenn sie wach wurde..." ("Der Schläger") Pancake, wach, schrieb. "...Ottie hört Sheila lachen, aber tiefer als er es in Erinnerung hat. Früher war ihr Lachen höher, und die alte Frau scheuchte sie über die Veranda und sagte: "Bitte nicht Schätzchen. Ein Lebewesen kann fühlen."..." ("Bei dieser Trockenheit") Pancake, fühlend, schrieb.
Pancake, sensibel aber unpathetisch, knallhart beobachtend, schrieb. Und brachte sich dann um. Ihm als Autor war Brutalität gegenüber anderen, wie sie etwa seine Protagonisten ausführten, fremd. Pancake, ein Realist, der der Welt zu früh abhandenkam.

www.weissbooks.com

"...And the red sun of the morning was smiling through the trees,
As the darkness of the night was quickly fading,
And the fog hugged the road like a cloudy, cloudy sea,
As we drove though the hills of West Virginia..."
(Phil Ochs)

Philip David Ochs

Hypo-Kunsthalle München - "Abenteuer der Wirklichkeit" (2010): Abenteuer der Wirklichkeit

veröffentlicht:
www.fixpoetry.com/feuilleton
www.fixpoetry.com

Tuesday, July 12, 2011

MINAMO - Improvistion zwischen Kammermusik und Jazz über Wasseroberfläche

Carla Kihlstedt und Satoko Fujii

Minamo ist das japanische Wort für Wasseroberfläche. Musikalische Imagination zum Reflektierenden, Bewegten, Fließenden. Musik wie Wasser nicht begrenzt, nicht konkret. Musik, zwar auch basierend auf klassischer Kammermusik, aber doch weit hineinentwickelt in die Beweglichkeit der Improvisation.
Satoko Fujii zu Minamo: “Dinge, die keine feste Gestalt haben, sind sehr stark. Das ist wahrscheinlich eine sehr japanische Idee. Wasser hat keine Gestalt, also kann es nicht zerbrochen werden. Wenn etwas eine feste Gestalt hat mit einem harten Material, wie Stahlbeton, kann es -wenn es einmal zerbricht -nicht mehr geformt werden.Und wir mochten einfach den Klang des Wortes Wasser.”
Carla Kihlstedt: "Unsere Musik lebt an dem Ort an dem Offenheit und Entschlossenheit, Spontaneität und Baukunst sich treffen."

Minamo ist wie eine Umsetzung der Welt der Wasserreflexionen in Musik. Und Musik wiederum " ist der perfekte Träger für die Alchemie von Gedanken, Instinkten, Gefühlen und Ideen", so Kihlstedt.

"Minamo"
Minamo "Black River"

Es gibt zwei CD-Veröffentlichungen von Minamo: "Minamo" (Henceforth Records, 2007) und "Kuroi Kawa/Black River" (Tzadik Records, 2009).

Die Japanische Pianistin Satoko Fujii ist eine völlig eigenständige Kraft neben einer Größe wie Myra Melford. Spielt in unterschiedlichen Formationen. Genauso wie Carla Kihlstedt. Die auch im Avant-Rock zuhause ist. Beide sind klassisch ausgebildet und mit ihren Projekten in die freie New Yorker Szene verwoben.

Die CD "Black River" ist Asiatisches und Amerikanisches zwischen zeitgenössischer E-Musik, Avantgarde-Jazzigem und frei Improvisiertem. Zwei CDs, vier Hände, zwei Stimmen, vier Musikinstrumente Violine, Trompetenvioline, Piano, Akkordeon. Oft sanft, gelegentlich wild, strukturell aber befreit, immer wieder voll immenser Klarheit, dann wieder mit Ausbrüchen in wirr Stürmisches, vom Tonalen bis zur Grenze des Atonalen gespannt, studioaufgenommen und live.
Zwar mit Versiertheit aber frei von zu eingespielten Verhaltensmustern. Zwei Musikerinnen mit extremer Sensitivität, Konzentriertheit, feiner klanglicher Eleganz kreierend in einem schwebenden, offenen Freidimensionalen. Ein Klangraum jenseits von Banalitäten, Grobheiten, Sinnlosigkeiten. Von der Welt des avantgardistischen Jazz aus einerseits ins perfekt elitäre Kammermusiklische verweisend und andererseit vereinzelt rar vorkommend Volksmusikalisches aufgreifend. In differenziertesten Nuancen der Kommunikation. Jederzeit auch als Weg der Transdifferenzierung aus einem Sog der Dedifferenzierung nutzbar, der im Alltäglichen immer wieder drohen kann.

So war Minamo mit Carla Kihlstedt (Stimme, Violine) & Satoko Fujii (Piano, Melodica) beim Jazzfestival Saalfelden am 28.08.10 ein intensiver, konzentrierter, wunderschöner Nachmittags-Set verfeinerten Avantgarde-Jazzes.

Minamo - Wasser ist eine Welt der Reflexionen. Landschaft ist das Produkt ästhetischer Reflektion und Perzeption von Realität. Und ein vielfarbig aussehendes Elemet dessen ist Wasser und dessen Oberfläche.

Bei Wasser denkt man einerseits an Transparenz oder an eine blaue und blaugrüne Wasserfläche. Tatsächlich sieht Wasser aber oft ganz anders aus. Denn auf der Wasseroberfläche findet eine Brechung, Spiegelung statt. Da es sich bei Luft und Wasser um zwei Medien mit einer unterschiedlichen optischen Dichte handelt, kommt es, je nach Einfallswinkel, zu einer Reflexion der Lichtstrahlen, Spiegelung, oder einer Lichtbrechung. So einfach das Wasser zu sein scheint - eine simple Verbindung zweier Elemente, Sauerstoff und Wasserstoff - so kompliziert und vertrackt ist Wasser jedoch, wenn man es genauer untersucht.
Auch in der Beobachtung durch Künstler wird Wasserfläche in allen erdenklichen Facetten entdeckt. In der visuellen Darstellung in Malerei, Zeichnung, Fotografie genauso wie in der Musik.

Bei einer Umfrage unter Kunst- und Kulturschaffenden antwortete man mir mit vielfältigen Sichtweisen von Wasseroberfläche auf die Frage nach ersten bildlichen Assoziationen. Ein Kanadischer Künstler schickte mir ein Foto einer Wasserfläche auf der sich eine breite, blendende Lichtbahn von einer fahlweißen Sonne ausgehend ausbreitet. Eine Philosophin aus England antwortete mit unzähligen Bildern aus ihren Archiven mit Naturfotografien, die helle Gischt auf grünem Wasser an einer Meeresküste zeigen. Ein Musiker und Maler aus Frankreich sandte Fotos, die verzweigende, schwarze, feine Verästelungen darstellen, die neben einem Waldrand verwischt auf reißend fließendem dunklen Wasser abgebildet sind. In Quebec dachte ein Komponist an gefrorenes Wasser, hatte mit seinem Foto eine Eisfläche fokusiert, in der runde, weiße Flecken, Luftblasen, in der Durchsichtigkeit eingeschlossen sind. Aus Kalifornien erhielt ich eine Darstellung einer Wasserfläche, die wie ein perfekter, glasklarer Spiegel wirkte und die gegenständliche Welt, eine buntfarbige Häuserzeile, exakt nochmal realistisch abbildete.

Wasser kann alle Farben haben und keine. Kann alles widerspiegeln und nichts. Eine glatte Fläche sein oder aufgewühlt strukturiert. Wasser kann jedes abstrakte oder figürliche Bild annehmen. Entscheidend dafür, wie Wasser ausieht, ist natürlich immer das jeweilige Licht. So kommt es zu brennendroten, tiefschwarzen, pastellbraunen oder milchigweißen Wasserflächen, wie sie eine Münchner Künstlerin malt und fotografiert. Und Wasser zeigt sich schließlich in anderen Aggregatszuständen in Form von Nebel, Wolken und Schnee hauptsächlich in Weiß und in Grautönen, die aber auch wieder bei verschiedenem Tageslicht andere Farbspuren enthalten können.

Das Projekt Minamo nähert sich einem im spirituellen, meditativen, aber auch expressiven, experimentellen Sinn musikalischen Sehen von Wasserflächen.

Foto: © Tina Karolina Stauner

www.carlakihlstedt.com
www.satokofujii.com

veröffentlicht: www.skug.at

Tuesday, July 05, 2011

Redenreihe 'Freiheitsfelder' im Rahmen der Münchner Opernfestspiele:
Im Kontext des Spielzeitthemas 'unfrei frei' werden Fragen wie die nach der Freiheit einer Gesellschaft gestellt.
Tatsächlich findet sich im Kulturmanagment der Staatsoper München auch Platz für eine informativ-politische Vortragsreihe, die mit Musik kombiniert ist und sich 'Freiheitsfelder' nennt:
04.07.11 - Über:Maß
11.07.11 - Über:Macht
18.07.11 - Über:Mut
Als Beiträge zur Stärkung der demokratischen Gesellschaftsordnung ansehbar.

Am 04.07.11 war einer der Gesprächspunkte mit Rednerin Shirin Ebadi: Einhaltung der Menschenrechte im Iran.

Nicht nur im Iran findet Menschenrechtsverletzung statt. Menschenrechte werden auch in Europa nicht immer eingehalten. Wer dies im gesellschaflichen Diskurs näher benennt kann auch Hierzulande starkem Druck ausgesetzt sein.

Opfer von Menschenrechtsverletzung können so zugrunde gerichtet werden, dass sie beispielsweise nicht mehr empfänglich sind für Musik.

Freiheitsfelder

Sunday, July 03, 2011

"Gott ist Schönheit", Smeds Esemble, Kammerspiele München, 02.07.11

Der finnische Maler Vilho Lampi: Liebe, Verachtung, Trotz, Schönheit, Freiheit, Göttliches, Kunst

Das Smeds Esemble inzeniert mit "Gott ist Schönheit" nach dem Roman Paavo Rintalas aus dem Jahr 1959 eine Hommage an den finnischen Maler Vilho Lampi, der von 1898 bis 1936 meist in Liminka lebte. Gegen die Kälte des finnischen Winters, die Ignoranz, die Nazis und das neue Europa trotze er, so die Programminfo. Er malte expressiv-realistisch Selbstporträts, Porträts von einfachen Leuten, Landschaften, Stillleben.

Der Zuschauer findet sich bei der Inszenierung "Gott ist Schönheit" konfrontiert mit einem spartanisch ausgestatteten Bühnenbild von Riikka von Martens und Kristian Smeds. An die Rückwand eine großformatige Leinwandmalerei gelehnt. Ein Porträt. Ein Bild, das aber eigentlich noch einfach nur Skizze ist. Und auch zum wechselnd beleuchteten Farbfeld werden kann. Ein Bild, das an eine der späten Leinwandarbeiten von Francis Bacon erinnert, die von diesem nicht fertig gemalt wurde und Skizze geblieben ist. Die völlig anderen Bilder des Malers Lampi zeigen sich im Stück nicht. Aufgeführt werden vom Smeds Esemble 10 Bühnenszenen aus denen sich die Malerei Lampis nicht gleich erschließen läßt. Es bieten sich Teile des Lebens des Künstlers , die seine Persönlichkeit darzustellen versuchen. Facetten seines Charakters. Seiner Vorstellungswelt. Seines Tuns. Seines Unterwegsseins. Eine surreal merkwürdig anmutende Geschichte. Mehr Roman als Biografie. Mehrere Handlungsorte, Lebenswelten. Sprunghafte Phantasieebenen, Realitäten, Intentionen, Perspektiven.

Der Maler ist in diverse Personen aufgesplittet. Und Darstellung von erstrebter Schönheit präsentiert sich hauptsächlich auch als Grobheit und Kargheit. Die Handlungsbilder beispielsweise: Bewegung mit kräftigen Seilen, Brennen funkelnder Lichter im Dunkeln, Schläge mit einer Axt auf einen Eisblock oder Hiebe auf eine Holzsstele. Expressionistische, exzessive Ausbrüche. Manchmal wie tänzerisch. Manchmal wie primitive Vorgänge. Manchmal wie schwerlastig. Manchmal wie spielerisch. Diverse innere Kräfte und Vorgänge, die für das Schaffen von Kunst mehr oder weniger unumgänglich sind. Und für die Freiheit der Kunst und des Künstlers um die es geht.

Lampi fühlte sich wohl außerhalb des Lebens und der Gesellschaft. Wollte auch Gewalt anprangern und dass jeder Traum unmöglich werden kann. Der Humor des Ensembles wirkt dabei manchmal wie seltsam in das Bühnengeschehen untergemischt, scheint nur schwer mit manch grobem Inhaltlichen konform zu gehen.
Die Bilder, die Lampi malte, sind sachlich oder expressionistisch, durchaus auch hart aber ohne Brutalität, sind mehr als eine Spur sanfter und einfühlsamer als die Handlung des Stücks vermuten läßt. Wenngleich seine Gemälde farbkräftig Kompromisslosigkeit widergeben. Lampis Malerei ist immer auch Menschlichkeit und Wärme widerspiegelnd. Die den Bühnenzenen immer wieder fehlt. Die aber die Musik des Stücks wiederum hat. Stark rhythmusbetonter finnischer Folkrock, von Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna live auf der Bühne gespielt, und der Bilderwelt des Malers vielleicht fast adäquater als das Theaterspiel.

War Lampi gewalttätig, fragt man sich. Wohl kaum. Er war Künstler. Kein Künstler hat Gewalt nötig. Lampi dürfte seine inneren Kräfte fokusiert haben und ließ sie natürlich in sein künstlerisches Schaffen fließen. Ich frage mich aber, ob Lampi dabei überhaupt Humor hatte. Oder ob der Humor nur zum Smeds Ensemble gehört.

Der erster Eindruck, den das Smeds Esemble mit dieser Produktion hinterläßt, ist irritierend. Kennt man das Werk des Malers noch nicht und sieht die Aufführung, kann man sich nicht direkt seine Gemälde vorstellen. Auch nicht durch die Malereiskizze im Bühnenhintergrund. Und mich hat ein Handlungsinfoblatt und die ganze Vorführung nicht auf Paavo Rintalas Buch und die Handlung wirklich neugierig gemacht. Ich blieb auf extremer Distanz. War nur bei Teilszenen dazu motiviert mich darauf einzulassen. Dafür aber mich weiter ausführlicher mit der Malerei Lampis zu befassen.

Sowohl der Maler Vilho Lampi als auch die Musiker Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna, teils der von 1998 bis 2011 existierenden Band Pohjannaula entstammend, sind als bereichernd durch die Inszenierung inspiriert zu entdecken.

Den kaum bekannten Vilho Lampi einordnen zu wollen für die, die seine Malerei noch nicht sahen, dürfte durchaus in der Verwandtschaft der Novembergruppe sein. Einer Malergruppe aus dem Redaktionsumfeld von Herwarth Waldens Zeitschrift Sturm, die von 1918 bis 1935 mit Schwerpunkt in Berlin agierte. Zu der Max Pechstein als Gründer gehörte. Maler, die an sozialen Veränderungen interessiert waren, als bolschewistisch beschimpft von den Nationalsozialisten verboten wurden. Und an einer Vereinigung von Kunst und Volk arbeiteten, die schwer möglich war. Vilho Lampi jedenfalls gab seinen Lebensentwurf auf indem er Selbstmord beging.

Über den 41-jährigen namhaften finnischen Regisseur des Stücks Kristian Smeds mit Arbeitsbasis Helsinki, einst längere Zeit in einer finnischen Kleinstadt lebend und Leiter des seit 2007 bestehenden Smeds Esembles, ein internationales Künstlernetzwerk, heißt es seine Lieblingsthemen seien: Liebe, Tod und Gott, garantiert mit Humor "stark und schwarz - wie guter Kaffee".

Die finnische Mentalität des Smeds Esemble braucht möglicherweise mehr als eine Annäherung. Die aber schon einige, wie sich an der Zuschauerzahl zeigte, überhaupt nicht unternahmen.
"It's nothing personal, it's just art" (Smeds Ensemble)

Vilho Lampi
Smeds Ensemble
Kammerspiele München

veröffentlicht: http:www.textem.de
http:www.aurora-magazin.at

Saturday, July 02, 2011

Zwei Finnlandthemen vorerst als kurze Zwischennotiz zu Filmfestspiele und Kammerspiele München:

Aki Kaurismäki und sein neuer Film "Le Havre" © Pandora Filmproduktion


Vilho Henrik Lampi (1898 – 1936)
Eine Hommage an den finnischen Maler als Playwright von Kristian Smeds nennt sich "Gott ist Schönheit"

Friday, July 01, 2011


Filmfest München 2011
Foto: Tina Karolina Stauner

Einige weitere compact-snapshots (nicht (d)slr): Raum, Architektur und Stillleben - Filmfest München 2011