Saturday, December 29, 2007


Toshinori Kondo
»Silent Melodies«
stilll/off/broken silence

Der Tokioter Avant-Jazz-Trompeter Toshinori Kondo, sonst in Zusammenarbeit u.a. mit Größen der New Yorker Downtown-Szene, hat die Solo-CD »Silent Melodies« veröffentlicht: nur elektrische Trompete und Effekte ohne jegliche Overdubs. Er öffnet einen seltsamen, dunklen Klangraum. Melodiegebilde beginnen sich darin auszubreiten wie erratische Objekte in einer Parallelwelt zur Wirklichkeit. Eine spirituelle Sphäre entsteht, die nichts mit flacher Esoterik zu tun hat. Manche Stücke werden zum Meditationsraum. Und es kann sich auch ein diffuser Negativraum spiegeln. Manchmal sind in Hall fragmentarisch gebrochen Themen zu erahnen, die für Momente an Jazzklassiker erinnern. Und echoartig blenden sich Rhythmusebenen ein wie Sterotypien. Kondos Trompetenimprovisationen in einem extremen Spektrum von fragilen bis kraftvollen, oft verfremdeten, verzerrten, manirierten Tonfolgen führen zu einer Spannung eigenartiger, schwer benennbarer Dimension zwischen archaischen Tiefen und Zukunftsvisionärem. Die Klangfacetten seines Trompetentons blitzen aus Düsterem und sind merkwürdig meditativ und wie ein Statement gegen jede oberflächliche Eloquenz.

www.skug.at
(SKUG 73 (print), 1-3/08)
Richard Thompson
"Sweet Warrior"
Proper Records/Rough Trade

Richard Thompson gehört zu den Musikern, die Maßstäbe gesetzt haben für das, was Substanz im Songwriting bedeutet. Er begann mit Fairport Convention, veröffentlichte dann mit seiner Frau Linda zusammen und danach Soloalben auf kontinuierlich hohem Niveau. Dieses Jahr erschien »Sweet Warrior«, Songs die von Verlust und Verrat erzählen. Wir befinden uns an persönlichen und öffentlichen Kriegsfronten...Der Opener, das griffige »Needle And Thread«, gibt Anhaltspunkt dafür von welch desolatem Seelenzustand man ausgehen kann: »...I'll thread up my needle and then/Gonna sew my soul back together again...«. Doch dann folgt gleich der tighte Up-Tempo-Kick »I'll Never Give It Up«. Und im kraftvollen, provokativen »Dad's Gonna Kill Me« über die Situation eines jungen Soldaten in Bagdad, das als Dad bezeichnet wird, gibt Thompson ein politisches Statement. Eins der einprägsamsten Stücke ist in saxophon-akzentuiertem Ska-Rythmus »Francesca«. Ein Paradoxon, denn zu einer wunderschönen Melodie, regelrecht Synonym für Lebensfreude pur, gibt es eine abgrundtieftraurige Geschichte über Rufmord. Mit emotionaler Klarheit gelingt es auch jeder der Balladen dieses Albums im Innersten zu berühren.
Insbesondere Fiddle, Mandoline, Hurdy Gurdy und Harmoniegesang auf »Sweet Warrior« sind sehr der Folkrocktradition verbunden und fast wie musikalische Zitate wirken manche reinen Folkeinschübe in dem insgesamt aber oft dem straighten Rock nahen, höchst energiegeladenen Album. Thompson hat das Gespür für den perfekten Song, er hat das besondere Timbre in der Stimme und seine E-Gitarre ist Präzisionsarbeit über dem warmen Acoustic Bass von Danny Thompson. Dazu schnörkellos exakte Rockdrums von Michael Jerome. Stellt sich allerdings die Frage warum eine Spur zugänglicher produziert wurde als man es von Thompson gewohnt ist und als es der Härte der Aussagen und des Zynismus näher sein könnte. Sieht man Thompson doch abgebildet auf der Cover-Rückseite eine Gitarre haltend wie ein Gewehr im Anschlag.

www.richardthompson-music.com

www.skug.at
(SKUG 73 (print), 1-3/08)